Wenn tausend Nähmaschinen surren
Eine Ausstellung soll im Idealfall alle Sinne ansprechen, deswegen setzen die Macher auch Ungewöhnliches um
LINDENBERG (beb) - „Und wenn man nachts durch Lindenberg lief, hörte man das Rattern von tausend Nähmaschinen.“Dieser Satz zeigt wie kein anderer, wie sie war, die Blütezeit der Hutindustrie in Lindenberg. Davon ist Museumsleiterin Angelika Schreiber überzeugt. Deswegen sollten Besucher das auch in der neuen Ausstellung über den Aufstieg, der Hochzeit und des Niedergangs der Hutfabrik Ottmar Reich erleben. Aber wie stellt man so einen Satz anschaulich dar?
„Es gibt unterschiedliche Lerntypen. Jeder Mensch ist anders, jeder Mensch spricht auf etwas anderes an. Sinneswahrnehmungen sind da ganz entscheidend“, weiß die Museumsleiterin. Im Idealfall soll eine Ausstellung also auch alle Sinne ansprechen. Nur, wer etwas erleben kann, nehme aus einer Ausstellung etwas mit. Informative Texte und interessante Exponate, die nur hinter Glas stehen, die man nicht berühren darf, reichen also nicht. Deswegen gehen Schreiber und die Macher der Ausstellungen auch ungewöhnliche Wege.
„Es geht darum, auch einmal los zu spinnen“, erklärt Schreiber. „Wenn man einst nachts in Lindenberg das Rattern von tausend Nähmaschinen hörte, warum sollte man dann im Museum nicht auch die Lindenberger Nacht darstellen und tausend Nähmaschinen rattern lassen?“Gesagt, getan. Viele Stunden haben die Macher getüftelt. Heraus gekommen ist ein zentraler Teil der Ausstellung: Ein kleiner Raum, der es in sich hat.
Freilich passen hier keine tausend Nähmaschinen hinein. Wer durch die Tür tritt, sieht eine direkt vor sich. Der Besucher kann sich an den Nähtisch setzen. Über ihm leuchten unzählige kleine Lämpchen als Sterne. Um ihn herum ertönt das Surren der Nähmaschinen aus Lautsprechern. „Oft reichen nur Kleinigkeiten und man kann sich in eine andere Zeit versetzen“, erklärt Schreiber. So war wohl die Hochzeit der Hutfabrik Ottmar Reich, und eine Zeit, als in Lindenberg die Arbeiterinnen auch spät abends in der heimischen Stube an den Nähmaschinen saßen. Auch so wächst eine Ausstellung: Erst ist da ein Satz, dann eine Idee und zum Schluss, sagt Schreiber, brauche es findige Handwerker, die alles umsetzten. Nur Exponate in einen Raum zu stellen reicht nicht. Sonst fehlt das Erlebnis.