„Lindwurm“arbeitet 16 Stunden am Tag
Um elektrisch zwischen München und Lindau zu fahren, werden Schienen erneuert
KEMPTEN - Seit einer Woche befinden sich die Bauarbeiten für die Elektrifizierung der Bahnstrecke von München nach Lindau in der heißen Phase. Bis 2020 soll das Projekt abgeschlossen sein und damit wird sich die Fahrzeit zwischen München und Zürich von jetzt viereinhalb Stunden auf dreieinhalb Stunden verkürzen.
Mit bis zu Tempo 160 werden die Züge beispielsweise durchs Unterallgäu fahren. Entsprechend müssen vielerorts Schienen sowie der Unterbau erneuert werden. Von 197 Kilometern Gleisstrang zwischen München und Lindau sind kaum 50 sanierungsbedürftig.
Zum Beispiel der Abschnitt zwischen Memmingen und Tannheim im Kreis Biberach. Auf diesem acht Kilometer langen Stück werden 14 750-Meter-Schienen neu verlegt und 12 000 Schwellen verbaut. Im Einsatz ist der Bauzug eines Spezialunternehmens. Solche Einsätze müssten bis zu zwei Jahre vorher geplant werden, da es nur wenige solcher Bauzüge in Deutschland gibt, sagt Franz Lindemair, Sprecher für den Bereich Bahn-Großprojekte in Süddeutschland. Nach seinen Worten befinden wir uns hier an der längsten BahnBaustelle Bayerns. Der Lärm, den der 850 Meter lange Bauzug macht, ist ohrenbetäubend. Und deshalb werde zum Schutz der Anlieger auch nicht nachts gearbeitet, sagt Bauleiter Ralf Kron. Aber: „Im Zwei-Schichtbetrieb sind wir von 6 bis 22 Uhr unterwegs.“Und das nonstop: Mit einem Tempo von 40 bis 50 Metern pro Stunde bewegt sich der stählerne Lindwurm nach vorne.
Unterwegs erledigt die Riesenmaschine verschiedene Arbeitsschritte: Zunächst wird der marode Unterbau aufgefräst und das Material automatisch aufgenommen. Sand, Schotter und Kies werden in Container geschüttet und an Bord des Zugs gesiebt, gewaschen und für die Wiederverwertung aufgearbeitet. Etwa 50 Prozent des entfernten Materials würden recycelt und neu verbaut, sagt Kron. Der Rest wird entsorgt. An weiteren Stationen des Zugs wird das Untergrund-Material ausgeschüttet, verteilt und gefestigt. Dafür sind die Schienen hydraulisch angehoben worden. Schließlich wird neuer Schotter aufgebracht. Nach der Erneuerung des Unterbaus und des Gleisbetts werden auf dem Abschnitt zwischen Memmingen und Tannheim neue Schwellen und Schienen verlegt.
„Ein Kilometer Gleiserneuerung kostet sechs Millionen Euro“, sagt Bahnsprecher Lindemair – ohne die Untergrundarbeiten. Im Zuge der Elektrifizierung müssen unter dem Autobahnkreuz Memmingen die Gleise um 30 Zentimeter abgesenkt werden, um später dort die Oberleitungen installieren zu können.
Wegen der Bauarbeiten ist die Bahnstrecke zwischen Buchloe und Leutkirch bis 10. September komplett gesperrt. Es fahren Ersatzbusse, der Fernverkehr wird über Kempten umgeleitet. Planung und Elektrifizierung sowie alle dafür erforderlichen Arbeiten kosten insgesamt 440 Millionen Euro. Davon entfallen 100 Millionen auf den Lärmschutz.