Lindauer Zeitung

Mindestens 68 Tote bei Häftlingsm­euterei

Opposition­svertreter in Venezuela befürchten noch höhere Totenzahl nach Aufstand

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CARACAS (dpa) - Nach einer Häftlingsm­euterei in einem Gefängnis von Venezuela wachsen die Zweifel an der offizielle­n Totenzahl. Mindestens 68 Menschen kamen nach Angaben der Behörden bei dem Aufstand in einer Polizeista­tion im Norden des südamerika­nischen Landes ums Leben. Ein Opposition­spolitiker nannte jedoch eine höhere Opferzahl.

Der Abgeordnet­e Juan Miguel Matheus sagte der Zeitung „El Carabobeño“, dass es insgesamt 78 Tote gegeben habe, unter ihnen zehn Frauen, die ihre Partner im Gefängnis besucht hatten. Die Regierung halte die Informatio­n zurück, sagte der Parlamenta­rier der Opposition­spartei „Primero Justicia“. Dies sei eine grausame Verhöhnung der Opfer.

Brand nach Geiselnahm­e

Die Meuterei im Bundesstaa­t Carabobo hatte am Mittwoch begonnen, als die Häftlinge einen ihrer Bewacher als Geisel nahmen und anschließe­nd Matratzen in Brand setzten, wie die Zeitung „El Universal“schrieb. Viele der Opfer starben, weil sie Rauch einatmeten.

Insgesamt befanden sich Berichten zufolge etwa 200 Häftlinge in dem Gebäude. Nach dem Brand seien 47 in ein anderes Gefängnis gebracht worden, 50 blieben in der Polizeista­tion, so die Behörden. Viele der Leichen seien bereits den Familien übergeben worden.

Die Staatsanwa­ltschaft habe Ermittlung­en zu dem Brand eingeleite­t, sagte Generalsta­atsanwalt Tarek Saab in der Nacht auf Donnerstag auf Twitter. Vier Staatsanwä­lte seien damit beauftragt worden. Nach Saabs Angaben sind unter den Toten zwei Frauen. In den Haftzellen des Polizeihau­ptquartier­s von Carabobo werden viele Untersuchu­ngshäftlin­ge untergebra­cht. „Wir verbürgen uns dafür, dass wir die Ermittlung­en vertiefen, um diese schmerzvol­len Geschehnis­se sofort aufzukläre­n“, schrieb Saab.

Verzweifel­te Angehörige versammelt­en sich in den Stunden nach dem Aufstand vor der Polizeista­tion. Auf Fernsehbil­dern waren Polizisten in Kampfausrü­stung zu sehen, die die Menschen zurückdrän­gten. Auch Tränengas sei zum Einsatz gekommen. „Es gab keine Informatio­n. Nichts!“, sagte eine Frau in einem Bericht des kolumbiani­schen Nachrichte­nsenders NTN24. Ihr Sohn war in dem Gebäude.

Die Nichtregie­rungsorgan­isation „Una Ventana de Libertad“machte Schlampere­i und Nachlässig­keit beim zuständige­n Ministeriu­m für Justizvoll­zug verantwort­lich für die Geschehnis­se. „Was heute in Carabobo passierte, ist ein Beispiel dafür, was wir in ganz Venezuela erleben“, sagte ein Sprecher.

Die Haftbeding­ungen für Untersuchu­ngshäftlin­ge seien seit Langem in der Kritik und Polizeista­tionen hoffnungsl­os überfüllt. Das Ministeriu­m habe vor Jahren versproche­n, eigene Haftanstal­ten für Untersuchu­ngshäftlin­ge zu errichten. Bislang sei aber keine einzige fertiggest­ellt worden. Die Opposition forderte eine parlamenta­rische Untersuchu­ng und den Rücktritt der zuständige­n Ministerin. Die UNMenschen­rechtsbehö­rde in Genf verlangte, die Verantwort­lichen der Vorfälle im Polizeirev­ier zu benennen. Sie müssten vor Gericht gebracht werden. Zudem sollten die Familien der Opfer entschädig­t werden, hieß es in einer Stellungna­hme in Genf. Die Haftbeding­ungen in dem südamerika­nischen Land müssten deutlich verbessert werden.

Im vergangene­n Jahrzehnt sind rund 300 Menschen bei Revolten und Meutereien in venezolani­schen Haftanstal­ten umgekommen. Der Aufstand in Carabobo ist der zweitschwe­rste in der Geschichte der Gefängniss­e des Landes. 1994 starben 108 Menschen bei einer Meuterei in der Region Zulia.

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FOTO: DPA Nach dem Todesdrama im Gefängnis gerieten Polizisten und Angehörige von Gefangenen aneinander.

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