Wunderschönes Monster
Die Langläufer gehen auf die quälend lange 50-Kilometer-Strecke
PYEONGCHANG (SID) - Als sich Arnd Peiffer zum wiederholten Male übergeben hatte, dämmerte ihm, dass dieses Rennen nicht sein Freund werden würde. „Ich habe gedacht: Meine Güte, du könntest jetzt so schön im Bett liegen“, sagte der Biathlet nach seinem olympischen Ausflug zu den Langlauf-Spezialisten in Sotschi 2014. Der Loipen-Marathon über 50 Kilometer, dieses wunderschöne Monster, hatte wieder ein Opfer gefunden.
Der Fünfziger, auch in Pyeongchang am Samstag (6 Uhr MEZ) Höhepunkt der Langlauf-Wettbewerbe, ist stets ein archaisches Drama, das im heutigen Olympia-Kanon aus der Zeit gefallen wirkt. Vor vier Jahren in Sotschi fand die Tortur unter verschärften Bedingungen statt – bei frühlingshaften Temperaturen um die 20 Grad haute es gestandene Kerle reihenweise aus der Bindung.
„Wir werden unendliches Leid erfahren“, hatte Peiffer schon befürchtet, als er gemeinsam mit BiathlonKollege Erik Lesser die beiden freien deutschen Startplätze übernommen hatte. Die Endplatzierung – 40. Peiffer, 42. Lesser – trat hinter die überragende Erfahrung zurück. „Ich hatte Krämpfe, es war hart – aber ich würde es wieder machen“, sagte Lesser.
Die Neuauflage in Südkorea gibt es für beide nicht. Diesmal wird im klassischen Stil gelaufen, der nicht zum Repertoire der Skijäger gehört – Peiffer und Lesser bleibt die Reise in eine Welt des Schmerzes erspart.
„Dieses Rennen kann mächtig Spaß machen – es tut aber auch verdammt weh“, sagt selbst ein Großmaul wie Petter Northug. Der Norweger, größter Fünfziger-Läufer der Neuzeit, hat sich nicht für Pyeongchang qualifiziert. Johannes Hösflot Kläbo, die junge und ungehobelte Northug-Ausgabe, verzichtet nach drei Goldmedaillen. Er sei satt, ließ der 21-Jährige ausrichten.
Norwegen stöhnte empört auf, denn gerade für Skandinavier ist der Marathon das Größte. In der „Femmila“werden Helden und Legenden geboren. Das gilt für die Norweger mit Olympiasiegern wie Northug und Björn Dählie wie für die Schweden, deren Skiheilige wie Sixten Jernberg, Thomas Wassberg und Gunde Svan ihren Ruhm vor allem in der Urvariante der Schinderei erwarben: Dem Zeitstart, der anders als die heutigen Massenstarts nie erlaubte, sich im Feld und hinter Kontrahenten zu verstecken. Ein Mann, eine Uhr.
Ein zweifelhafter Meister dieser Spielart war auch Johann Mühlegg. Der gebürtige Allgäuer, 2001 bereits Weltmeister, lief 2002 bei Olympia die Konkurrenz in Grund und Boden. Allein, der kauzige Blondschopf war konsequent auf Epo-Basis unterwegs, verlor sein Gold wieder. Und die Helden der Langstrecke hatten über Jahre ein Imageproblem.
Weit nach Mühlegg folgte eben jener Fünfziger von Sotschi. Er endete mit einer Machtdemonstration der Russen, Alexander Legkow, Maxim Wylegschanin und Ilja Tschernoussow stürmten zu Gold, Silber und Bronze, erhielten ihre Medaillen während der Schlussfeier auf der größtmöglichen Bühne.
An keinem anderen Ereignis lässt sich der Skandal um russisches Staatsdoping, dessen Folgen auch in Pyeongchang ständig spürbar sind, besser nachvollziehen. Legkow und Wylegschanin sind mittlerweile gesperrt worden, Tschernoussow winkt somit schmutziges Gold.