Das Herz von AC/DC schlägt nicht mehr
Zum Tod des Rock-Gitarristen Malcolm Young
Böse Zungen behaupten, dass AC/DC mit drei Akkorden erfolgreich geworden sind. Doch hinter der simpel anmutenden Fassade steckte in all den Jahren viel mehr, als man aufs erste Hinhören meinen könnte – und dafür verantwortlich war vor allem Malcolm Young. Am Samstag ist der Gründer der australischen Rocklegende im Alter von 64 Jahren gestorben. Er hinterlässt seine Ehefrau Linda und zwei Kinder.
Der durchgeknallte Leadgitarrist mit der Schuluniform, der im Entengang über die Bühne rockte – das war nicht Malcom Young, das war sein Bruder Angus. Der Typ mit der Schieberkappe und dem Mikrofon, dessen Stimme klang wie eine mit Whiskey geölte Flex – das war nicht Malcom Young, sondern Brian Johnson. Malcolm Young, das war der Mann im Hintergrund, der nie auf der Bühne austickte, sondern seiner Gretsch stoisch, ja fast schon gelangweilt die prägnanten Starkstromriffs entlockte, die den Sound von AC/DC so unverwechselbar machen. Ob Hits wie „Highway to Hell“oder „Whole Lotta Rosie“, bei denen noch Bon Scott seine Stimmbänder strapazierte, oder später „Hell’s Bells“oder „Back in Black“mit Brian Johnson am Mikrofon: Malcolm Young war als Songschreiber an fast allen Stücken der Band beteiligt. Das Knochentrockene, Staubige, aufs Minimum Reduzierte – das war sein Verdienst. „Ohne ihn wäre ich nicht in der Lage, das zu tun, was ich tue“, sagte Angus Young einmal über die Bedeutung seines Bruders für den Bandsound. Wo speziell in den 1980er-Jahren andere Rockbands mit immer krasserer Verzerrung und immer mehr Gitarrenspuren protzten, waren AC/DC die Meister des Minimalismus. Sie hatten es nicht nötig, ihre Uhrwerkspräzision mit einer dicken Produktion aufzumotzen. Malcolm und Angus teilten sich die Arbeit auf: Angus war für die ekstatischen Soli zuständig, für die schmissigen Lead-Melodien – und Malcolm, der war der Herzschlag im Hintergrund. Mehr als einmal kürten ihn Musikjournalisten zu einem der besten Rhythmusgitarristen der Welt. Und dass er eben auch noch mehr konnte als nur Stakkato-Riffing, zeigten weniger massentaugliche Stücke wie der Bluesrock-Song „Down Payment Blues“vom völlig unterbewerteten 1978er-Album „Powerage“.
Gegründet hatte der damals 20jährige Malcolm Young AC/DC im Jahr 1973 gemeinsam mit seinem Bruder Angus. Zehn Jahre zuvor war die Großfamilie – Malcolm und Angus hatten noch sechs weitere Geschwister – von Schottland nach Australien umgesiedelt. 1974 stieß Bon Scott zur Band. In den nächsten Jahren schreiben die Musiker zusammen Rockgeschichte. Platten wie „Dirty Deeds Done Dirt Cheap“und „Let There Be Rock“verkaufen sich millionenfach und legen den Grundstein für Rockband, die heute mit über 200 Millionen verkaufter Platten zu den größten der Welt gehört. Malcolm Young prägt das Spiel unzähliger Rhythmusgitarristen, so etwa die brachialen Riffs von Metallica-Frontmann James Hetfield.
Harte Jahre
Die vergangenen paar Jahre waren hart für AC/DC. 2014 wurde bekannt, dass Malcolm Young infolge eines Schlaganfalls an Demenz litt und Probleme mit Herz und Lunge gehabt hatte. Im Herbst des Jahres wurde klar, dass Malcolm aus der gesundheitsbedingten „Pause“nicht zurückkehren würde. Da war er schon in einem Pflegeheim. Bei der Aufnahme des letzten Studioalbums „Rock Or Bust“und auf der folgenden Welttournee wurde er von seinem Neffen Stevie Young ersetzt. Der war 1988 schon einmal für den damals wegen Alkoholproblemen pausierenden Malcolm eingesprungen. Schlagzeuger Phil Rudd wurde aus der Band ausgeschlossen, weil er Ärger mit dem Gesetz hatte – Drogen, Morddrohungen, das volle Programm. 2016 musste Brian Johnson aufhören, weil Ärzte ihm ansonsten den kompletten Gehörverlust voraussagten. Guns’n’Roses-Frontröhre Axl Rose übernahm das Mikro für ein paar Auftritte – anfangs von Fans kritisch beäugt, dann zumindest live akzeptiert. Am 22. Oktober verstarb George Young, ebenfalls ein Bruder von Angus und Malcolm, der als Produzent von AC/DC fungierte, musikalisch aber vor allem als Pop-Hitproduzent bekannt wurde („Love Is in The Air“). Nun also Malcolm Young. Ob sein Tod auch das Ende der Band bedeutet, darüber lässt sich nur spekulieren.