Minderheitsregierung wäre im Bund etwas Neues
Im Nachbarland Österreich hat es der legendäre Bruno Kreisky (SPÖ) vorgemacht: Von 1970 bis 1983 war er Bundeskanzler – 18 Monate davon, von April 1970 bis Oktober 1971, führte er eine Minderheitsregierung an, die mit Wohltaten aufwartete: Abschaffung der Autosondersteuer, Erhöhung der Witwenpension, Verkürzung der Wehrdienstzeit. In Deutschland wäre eine bewusst gewählte Minderheitsregierung auf Bundesebene ein Novum. Auf Länderebene jedoch gab es beispielsweise in Sachsen-Anhalt nach der Landtagswahl 1994 eine von der PDS gestützte rot-grüne Minderheitsregierung unter Reinhard Höppner (SPD). Von 1998 an folgte unter Höppner bis 2002 eine reine SPD-Minderheitsregierung. In Nordrhein-Westfalen bildete sich von 2010 bis 2012 eine rot-grüne Minderheitsregierung unter Hannelore Kraft (SPD), ehe die Landtagswahl 2012 SPD und Grünen eine klare Mehrheit brachte. In Europa sind vor allem in Skandinavien Minderheitsregierungen keine Seltenheit. In Schweden ist dieses Modell eher der Normalfall. Als das Land mit den meisten Minderheitsregierungen gilt Dänemark. Von 32 Regierungen seit 1945 hatten nur vier eine eigene Parlamentsmehrheit. In Spanien büßte die konservative Volkspartei (PP) bei der Wahl 2015 die absolute Mehrheit ein, Ministerpräsident Mariano Rajoy (PP) führt eine Minderheitsregierung an. (ara)