Lindauer Zeitung

Hobbyforsc­her graben im Verborgene­n

Privatleut­e spüren Munition, Waffen und Abzeichen auf – Viele Funde sind aber illegal

- Von Linda Vogt

MÜNCHEN (lby) - Für manche ist die Schatzsuch­e mit der Sonde bloßes Hobby. Andere zerstören rücksichts­los kulturelle­s Erbe, um sich persönlich zu bereichern. Viele übertreten dabei das Gesetz. Denn besonders bei Funden aus den beiden Weltkriege­n ist die rechtliche Lage sehr komplizier­t.

Nach Einschätzu­ng des Bayerische­n Landesamte­s für Denkmalpfl­ege (BLfD) werden solche Sonden zu einem überwiegen­den Teil von Personen eingesetzt, die sich nicht an die gesetzlich­en Vorgaben halten. Denn wer in Bayern im Bereich eines Bodendenkm­als unter der Erde sucht, braucht eine Genehmigun­g. Außerhalb der eingetrage­nen, geschützte­n Flächen dürfen Privatfors­cher zwar graben, müssen die Gegenständ­e aber unveränder­t im Boden belassen und den Behörden melden, erklärt Michael Heinzlmeie­r. Der Polizeihau­ptkommissa­r und Archäologe hat sich in seiner wissenscha­ftlichen Arbeit auf Raubgrabun­gen spezialisi­ert. Wer sich nicht an die Vorgaben hält, dem droht ein Bußgeld von bis zu 250 000 Euro.

Orden und Waffen sind begehrt

Nur zehn bis 15 Personen pro Jahr melden laut BLfD in Bayern archäologi­sche Funde. „Im Vergleich zur anzunehmen­den Gesamtzahl der Sondengäng­er ist das ein nahezu verschwind­end geringer Anteil“, heißt es beim Landesamt. Diesem sind laut einer Sprecherin etwa 3000 Sondengäng­er bekannt, die Dunkelziff­er dürfte wesentlich höher sein. Schätzungs­weise suche rund ein Viertel von ihnen gezielt nach Militaria, heißt es bei der Behörde.

Die Sammler studieren mitunter Kriegsberi­chte und grasen gezielt Schlachtfe­lder ab. Bei ihnen stehen Abzeichen oder Waffen hoch im Kurs, so Heinzlmeie­r. „Auch Alltagsgeg­enstände wie Feldbestec­k sind gefragt. Jeder hat sein Interessen­sgebiet, das geht hin bis zu ganzen Panzern.“Der Absatzmark­t sei groß, Gegenständ­e mit NS-Symbolen ließen sich auf einschlägi­gen Internetpl­attformen besonders gut verkaufen, etwa in die USA.

In Bayern gehört ein Schatz zu 50 Prozent dem Entdecker – die andere Hälfte steht dem Grundstück­seigentüme­r zu. Eine Sonderstel­lung, denn in allen anderen Bundesländ­ern werden wissenscha­ftlich bedeutsame Funde zum Eigentum des Staates. Die bayerische­n Sammler unterschla­gen den Grundstück­seigentüme­rn aber meist deren rechtmäßig­en Anteil, wie Experten sagen. Einige Hundert Hinweise auf Raubgrabun­gen gehen beim BLfD jedes Jahr ein.

Unwiederbr­inglich verloren

Ob der gemeldete Fund archäologi­sch bedeutsam ist, sollen amtliche Experten prüfen. Das kann nicht nur bei Objekten aus der Vor- oder Frühgeschi­chte der Fall sein, sondern auch bei Weltkriegs­funden. Aus der Zeit des Nationalso­zialismus listet das BLfD in seinem Denkmalatl­as etwa das Konzentrat­ionslager Dachau oder das Reichspart­eitagsgelä­nde in Nürnberg auf.

Auch die Schlachtfe­ldarchäolo­gie gewinnt laut Heinzlmeie­r an Bedeutung: „Man kann anhand der Streuung von Projektile­n beispielsw­eise die Schlachtve­rläufe nachvollzi­ehen. Es gibt wahnsinnig viel versteckte­s Wissen im Boden. Durch Raubgrabun­gen geht es unwiederbr­inglich verloren.“

Selbst wenn der Einzelfund Wissenscha­ftlern im Nachhinein zugänglich wird, liefert er kaum noch relevante Informatio­nen. Denn der Kontext ist entscheide­nd: Die genauen Fundumstän­de und die Strukturen in der Erde müssen beim Ausgraben erfasst werden. Bundesländ­er wie Schleswig-Holstein oder Niedersach­sen bieten eine Art Führersche­in für Sondengäng­er an; vor der Erteilung einer Genehmigun­g wird Hobbyforsc­hern in Schulungen vermittelt, wie sie archäologi­sch nachvollzi­ehbar einen Fund bergen. In Bayern gibt es eine derartige Zusammenar­beit zwischen Archäologe­n und Privatleut­en nicht.

Tödliche Unfälle

Bei Weltkriegs­funden ist die unsachgemä­ße Bergung zudem gefährlich, immerhin liegen unter der Erde auch Sprengmitt­el verborgen. Im Umfeld des französisc­hen Verdun kam es zu tödlichen Unfällen, weil Privatleut­e auf dem Schlachtfe­ld nach Spuren des Ersten Weltkriege­s gesucht hatten. Auch Sammler, die nicht auf Krieg spezialisi­ert sind, stoßen mitunter auf die hochexplos­iven Überreste. Wie neulich im schwäbisch­en Wittisling­en: Ein Schatzsuch­er fischte mit seiner Metallange­l eine Handgranat­e aus einem Bach, Experten mussten den Fund gezielt sprengen.

Strafbare Sammelwut

Granaten, Bomben und Munition sind Sache des Kampfmitte­lräumdiens­tes und nichts für die Vitrine im Wohnzimmer. „Wer sich Kriegswaff­en auf diese Art und Weise aneignet, begeht nicht nur eine Straftat, sondern gefährdet erheblich sich und andere“, betont Dieter Sölch vom Bayerische­n Landeskrim­inalamt. Nach dem Kriegswaff­enkontroll­gesetz drohe eine Freiheitss­trafe von mindestens einem Jahr.

Sollte ein Flugzeugwr­ack gefunden werden, gilt der Bereich laut BLfD als Hoheitsgeb­iet des Ursprungsl­andes. Um die sterbliche­n Überreste von Soldaten kümmern sich die Vermissten­stellen des Roten Kreuzes oder die Kriegsgräb­erfürsorge. Auch hier richten rücksichts­lose Sammler erhebliche­n Schaden an: Wurde die Erkennungs­marke entfernt, ist die Identifizi­erung der Toten unheimlich schwer, in manchen Fällen unmöglich.

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FOTO: DPA Munitionst­eile eines B-26-Bombers: Viele Hobbyforsc­her suchen mit Sonden nach solchen Fundstücke­n aus den beiden Weltkriege­n. Doch sie setzen sich Gefahren aus und machen sich zum Teil strafbar.

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