Nach 100 Tagen im Umfragetief
Emmanuel Macron brachte zwei wichtige Gesetze auf den Weg, wird aber für seinen Führungsstil kritisiert
PARIS - Nach zwei strahlenden Wahlsiegen schien es manchen, als könne Emmanuel Macron übers Wasser laufen. Doch viele Franzosen sehen die Bilanz seiner ersten 100 Tage skeptisch.
Nicolas Sarkozy paddelte mit nacktem Oberkörper auf einem See in New Hampshire, und François Hollande genoss das Strandleben in Südfrankreich. Die ersten Ferien eines frisch gewählten Präsidenten sind alle fünf Jahre ein Ereignis, an dem die Weichen für die weitere Amtszeit gestellt werden. So fiel Hollande 2012 nach seinem Urlaub in der Präsidentenresidenz Fort de Brégançon in den Umfragen ab und konnte sich davon in den folgenden fünf Jahren nicht mehr erholen. Bei Sarkozy war der Kanuausflug auf dem Lake Winnipesaukee ein Beweis seiner Hyperaktivität, die ihm den Rest seiner Amtszeit anhaftete.
Wohl auch deshalb hütete sich Emmanuel Macron davor, seinen Urlaubsort offiziell bekannt zu geben. Inzwischen ist das Geheimnis gelüftet: Der Präsident erholt sich in Marseille, wo er auch den hundertsten Tag nach seiner Wahl verbringt.
Zwar hat der frühere Wirtschaftsminister in den ersten Wochen zwei wichtige Gesetze durch die Nationalversammlung gebracht. Doch die Akzente, die der 39-Jährige setzte, finden bei seinen Landsleuten wenig Zustimmung: Nur 36 Prozent sind mit ihm zufrieden. Bei Hollande waren es zum selben Zeitpunkt noch 46 Prozent. „Die positiven Effekte der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen wie die Neugestaltung der Politik und die Berufung von konservativen Politikern in die Regierung sind verflogen“, sagt der Direktor des Meinungsforschungsinstituts Ifop, Jérôme Fourquet, der Zeitung „Figaro“. „Die Franzosen erwarten nun Ergebnisse und eine Klarstellung der Reformpolitik.“
Gewerkschaft kündigt Streik an
Seine wichtigste Reform, nämlich die des Arbeitsrechts, ging Macron direkt nach der Wahl an. Vor zwei Wochen stimmten die Abgeordneten für den Text, der dem Präsidenten erlaubt, das Arbeitsrecht per Verordnung zu reformieren. Damit es nicht wie im vergangenen Jahr zu Massenprotesten kommt, holte Macron die Gewerkschaften mit ins Boot. Ob der Deal hält, wird sich allerdings erst Ende August zeigen, wenn der Inhalt der Verordnungen bekannt wird. Die kommunistische Gewerkschaft CGT kündigte bereits für den 12. September einen Streiktag an.
Auch das zweite wichtige Gesetz, das Macron anging, passierte die Nationalversammlung. Es soll nach Jahren der Selbstbedienungsmentalität für höhere ethische Standards im Parlament sorgen. So verbietet es die Anstellung von Familienangehörigen, schafft großzügige Pauschalen ab und streicht die Geldgeschenke der Abgeordneten für ihre Wahlkreise. Der Präsident hatte eine solche „Moralisierung“der Politik im Wahlkampf versprochen, nachdem sein Gegenkandidat François Fillon durch die Beschäftigung seiner Frau Penelope in Ungnade gefallen war.
Hang zum Autoritarismus
Das populäre Gesetz kann allerdings den Schaden nicht wiedergutmachen, den der Präsident selbst auf einem anderen Terrain angerichtet hat. In der Debatte um Kürzungen im Verteidigungshaushalt hatte er seinen Generalstabschef Pierre de Villiers mit dem Satz „Ich bin Ihr Chef“zum Rücktritt gezwungen. Eine Bemerkung, die auf einen Schlag Macrons Hang zum Autoritarismus offenlegte. Der 39-Jährige wollte nach dem „normalen“Präsidenten Hollande ein Staatschef sein, der auf Abstand geht. Doch genau das werfen die Franzosen dem früheren Bankier nun vor: „Sie wollen einen Chef, der führt, aber auch einen, der fähig ist, die Stimme des Volkes zu hören“, schreibt das Magazin „Express“.
Die ersten Vorhaben des Staatschefs treffen vor allem die sozial Schlechtergestellten. So kündigte die Regierung eine Kürzung des Wohngeldes und eine Erhöhung der allgemeinen Sozialsteuer CSG an, die vor allem die Rentner belastet. Gleichzeitig sollen Reiche von einer Reform der Vermögensteuer profitieren. Die Serie der Ankündigungen ohne roten Faden lässt die Franzosen im Unklaren über den Kurs von Macron. Der Präsident, der sich in einer fast monarchischen Rolle sieht, äußert sich nicht über seine Politik.
Rede und Antwort steht der 39-Jährige nur, wenn er ausländische Besucher empfängt. Dabei setzt sich Macron groß in Szene, beispielsweise beim Empfang des russischen Präsidenten Wladimir Putin im Schloss Versailles oder der Truppenparade mit Donald Trump am 14. Juli.
Mit seiner selbstbewussten Art stößt der bekennende Pro-Europäer bereits die ersten EU-Partner vor den Kopf. Eine Europareise Ende August soll nun die Wogen wieder glätten.