Zwei-Personen-Regel wieder abgeschafft
Sicherheitsmaßnahme wurde nach Germanwings-Katastrophe eingeführt
BERLIN/FRANKFURT (dpa) - Zwei Jahre nach der Germanwings-Katastrophe mit 150 Toten nehmen die großen deutschen Fluggesellschaften eine nach dem Absturz eingeführte Sicherheitsvorschrift zurück. Demnach darf sich ab spätestens Juni ein Pilot wieder allein im Cockpit aufhalten. „Die Evaluierung hat gezeigt, dass die Zwei-Personen-Regelung keinen Sicherheitsgewinn bringt“, begründete der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) die Entscheidung am Freitag in Berlin. Durch das häufigere Öffnen der Pilotenkanzel entstünden vielmehr zusätzliche Risiken, dass Unbefugte hineinkommen.
Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) begrüßte die Rücknahme der verschärften Vorgaben. Die Regelung habe neue Risiken geschaffen, sagte VC-Sprecher Markus Wahl am Freitag auf Nachfrage – und die wögen schwerer als der „unwahrscheinliche Fall eines PilotenSuizids“.
Die Fluggesellschaften sichern aber zu, dass Ärzte bei Untersuchungen von Piloten stärker auf psychologische und psychiatrische Aspekte achten. Zugesagt werden auch stabile Beschäftigungsverhältnisse, Zugang zu Berufsunfähigkeits versicherungen, psychologischen Beratungs programmen und eine intensivere Mitarbeiterbetreuung.
Der psychisch kranke Copilot Andreas Lubitz hatte den Ermittlungen zufolge im März 2015 die Germanwings-Maschine in den französischen Alpen bewusst abstürzen lassen. 150 Menschen starben. Die Behörden gehen davon aus, dass der Copilot den Flugkapitän aus dem Cockpit gesperrt hatte.
Die Airlines führten als Sofortmaßnahme die Zwei-Personen-Regel ein. Auswertungen des BDL haben jedoch ergeben, „dass die Gefahr eines Angriffs von außen durch terroristische beziehungsweise kriminelle Handlungen nach wie vor höher eingeschätzt werden muss“, wie es am Freitag hieß. Seit 1931 habe es nur etwa vier vergleichbare Suizidfälle gegeben, davon zwei, in denen der Täter allein im Cockpit gewesen sei. Dem stünden 1074 Entführungen gegenüber.
Um die Zwei-Personen-Regel einzuhalten, werde die Cockpittür häufiger und vorhersehbarer geöffnet. Es wachse auch der Kreis derer, die die Flugkanzel überhaupt betreten dürfen. Gewerkschaften von Piloten und Flugbegleitern hatten den Nutzen der Regelung schon früh bezweifelt. Sie beruht auf einer Empfehlung der Europäischen Agentur für Flugsicherheit, die inzwischen gelockert wurde. Für amerikanische Fluggesellschaften gilt dagegen nach wie vor, dass sich zu jeder Zeit zwei Personen im Cockpit aufhalten müssen. Das schreibt die US-Luftfahrtbehörde Faa so vor.