Lahms bitterer Abschied
Bayerns Kapitän unterläuft ein fataler Fehler, an seinem Rücktritt hält er fest
MÜNCHEN - Möglicherweise muss Michel Decar sein Stück noch einmal umschreiben, mit diesem Grande Finale war ja wirklich nicht zu rechnen gewesen. Am Mittwoch, wenige Stunden bevor Philipp Lahm in der Allianz Arena mit dem 2:3 gegen Borussia Dortmund im DFB-Pokalhalbfinale die letzte große Niederlage an Niederlagen nicht sehr reichen Karriere erlebte, stellte das Münchner Residenztheater seinen Spielplan für die Saison 2017/2018 vor. Im Dezember soll es am „Resi“demnach ein Stück geben mit dem simplen Titel: „Philipp Lahm“. Decar, ein gebürtiger Augsburger, hat das Stück, das laut Intendant Martin Kusej von der „scheinbaren Konfliktlosigkeit des Fußballspielens“handeln soll, geschrieben. Philipp Lahm soll in diesem Stück Szene für Szene immer zufriedener werden. Der Autor selbst, natürlich Bayernfan, wird in der Donnerstagsausgabe der „Süddeutschen Zeitung“so zitiert: „Philipp Lahm ist das Symbol der Nullerjahre, der ersten Hälfte der Zehnerjahre. Er verkörpert die BRD wie kein anderer.“Lahm verkörpere laut Decar zudem die Generation der Anfang-30Jährigen: „Super korrekt, super schlau. So langweilig, dass es weh tut.“
Der Vorwurf, langweilig zu sein, begleitet Lahm schon seine ganze Karriere. Er kann wahrscheinlich ganz gut damit leben, auch wenn die so Denkenden irren. Tatsächlich ist Lahm super korrekt, super schlau und auch super sachlich und super professionell. Langweilig sind aber allenfalls die Kommentare, die in seinem Namen auf Twitter veröffentlicht werden. Lahm aber ist nicht langweilig, er ist vielmehr der große Distanzierte des Weltfußballs. Selbst als seine Bayern eine Woche zuvor gegen Real Madrid aus der Champions League ausschieden und alle um ihn herum Zeter und Mordio schrien, analysierte er die Partie so nüchtern, als ob er seine Karriere schon seit Jahren beendet hätte.
Doch am Mittwoch wirkte er weder distanziert, noch langweilig oder gar zufrieden. Er blickte ins Leere, sprach sehr leise. „Das ist sehr bitter. Wir hatten viele Möglichkeiten, höher in Führung zu gehen. Dann bekommen wir das 2:2 und dann mach ich den Fehler zum 3:2. Und so scheidet man aus“, sagte er.
„Ich mache den Fehler“, auch so ein Satz, den man von Lahm während seiner ganzen Karriere selten bis nie zu hören bekommen hat. Beim Stand von 2:2 hatte ihm Arturo Vidal einen Pass ein wenig in den Rücken gespielt. Lahm hatte mit dem rechten Fuß über den Ball getreten, worauf dieser ihm versprungen war. Beim Versuch, die Situation zu retten, war er im nassen Rasen hängen geblieben. Und dann konnte er nur noch Raphael Guerreiro und Marco Reus machtlos hinterhersehen, wie sie den Ball nach vorne trieben, ihn zu Ousmane Dembélé passten, der ihn schließlich passgenau zum 3.2 in den Winkel zirkelte. Es war Lahms vielleicht erster spielentscheidender Ballverlust seiner Karriere. Und das in seinem, wie nun klar ist, letzten großen Spiel.
Natürlich hat Lahm diesen Abgang so nicht verdient. Doch darum seine Entscheidung revidieren? Darum auf Trainer Carlo Ancelotti hören, der vorher erklärt hatte, er würde „jeden Tag“versuchen, Lahm vom Rücktritt zum Rücktritt zu überreden? Das wäre erst recht nicht Lahm: „Das ist eine reiflich überlegte Entscheidung. Das Gefühl ändert sich nicht. Deswegen wird es da keine andere Meinung von mir geben.“.