Mit Mr. Goldsteig zum Gipfel
Durch den Bayerischen Wald zieht sich seit zehn Jahren ein besonders gepflegter „Qualitätswanderweg“
M ichael Körner ist ein UrBayer mit kräftigem Händedruck und lichtem, grauen Haar. Vor allem ihm und seiner Tatkraft hat es der 660 Kilometer lange Goldsteig im Bayerischen Wald zu verdanken, dass er 2017 seinen zehnjährigen Geburtstag als „Qualitätswanderweg“feiern kann. Zuvor erkundete Körner nämlich den Weg und das Gelände ganz genau, rief ein Netz von ehrenamtlichen Wegpaten ins Leben und montierte eigenhändig mehr als 700 Wegweiser.
„Ich kenne jeden Meter vom Goldsteig“, behauptet Körner, als er die Wanderer am Berggasthof Gibacht zwischen Waldmünchen und Furth im Wald trifft. Von hier aus wird in drei Etappen bis zum steinigen Höhepunkt gewandert, dem 1456 Meter hohen Großen Arber.
Auf den Waldweg fallen zwar die Sonnenstrahlen durch das Blätterdach, aber zum Glück nicht die wenigen Regentropfen. Auf gut 900 Metern Höhe ragen schöne Felsengebilde aus dem Wald. Dazu gehört der sogenannte Pfennigfelsen. Rechts neben drei hölzernen, gehörnten Waldwesen kann der Wanderer ein paar Münzen opfern, auf dass er heil wieder zurückkomme. Danach führt der Weg leicht abwärts zum DreiWappen-Felsen an der Landesgrenze zu Tschechien. Zu den Buchen und Fichten kommt nun der Schilderwald hinzu: Wegweiser, Grenzschilder, Infotafeln.
Freundschaft statt Grenze
Michael Körner mag den Begriff Grenze nicht. „So etwas haben wir ja nicht mehr hier, das Wort wollen wir auch gar nicht mehr benutzen.“Bayern und Böhmen seien zwei Nachbarregionen, die Jahrhunderte ihrer Geschichte teilen. Auch als damals der Eiserne Vorhang im Kalten Krieg Bayern von Böhmen trennen sollte, unterhielten die Forstbeamten beider Seiten offenbar ein sehr freundschaftliches Verhältnis. „Bei Tee und Grog wurden so manche Geschichten ausgetauscht“, weiß Körner.
Nach einer kurzen Fotopause am Drei-Wappen-Felsen geht es wieder bergauf durch lichtere Waldlandschaft, zwischen bemoosten Steinen und Felsen. Nach einer knappen halben Stunde ist der Kreuzfelsen erreicht, höchster Punkt der ersten Tagesetappe. Ein einziger Meter fehlt hier nur bis zur Tausender-Marke.
Danach geht es bergab, vorbei am Gläsernen Kreuz. Es soll an die Arbeiter der Glaswerkstätten erinnern, die es einst in großer Zahl in Furth im Wald gab. Die Stadt selbst ist vom Gläsernen Kreuz aus schon zu sehen. Nach einer weiteren guten Stunde steil abfallenden aber leicht zu gehenden Waldweges ist ein Wanderparkplatz am Stadtrand von Furth im Wald erreicht.
Ein Qualitätswanderweg will gepflegt sein. Damit das Gehen ein Genuss bleibt, kümmern sich außer Körner noch rund 60 Wegepaten um den Goldsteig. Von November bis März wird gesichert, werden kaputte Schilder ersetzt, Pfade von Schnee und Geäst befreit, Pfähle eingehauen. „Wir prüfen auch, ob der Weg nach einem Sturm überall begehbar ist oder ob nach einem Starkregen irgendwo Sturzbäche gen Tal fließen“, erzählt Körner.
Ein Sturzbach kommt am nächsten Morgen vom Himmel. Die Etappe von Schönbuch nach Eck wird so zu einer Herausforderung. Gut neun Kilometer – bei gutem Wetter eine beeindruckende Höhenwanderung, bei schlechtem Wetter eher eine Tortur.
Felsformationen begleiten den Weg, eine von ihnen hat sogar schon einem berühmten Räuber Schutz vor Regen und neugierigen Blicken geboten: Die Räuber-Heigl-Höhle, unterhalb des Kreuzfelsens gelegen. Der berüchtigte Heigl wurde seinerzeit als „Robin Hood vom Bayerischen Wald“bezeichnet, da er vor allem reiche Grundbesitzer und Geistliche überfiel.
Von hier aus ist es nicht mehr weit zur Kötztinger Hütte. Dort warten ein großer, warmer Ofen und ein freundlicher Hüttenwirt. Für solche Momente, wenn sich die Kälte langsam aus den Gliedmaßen zurückzieht und ein dampfendes Getränk auf dem Tisch steht, scheint das Wort „Hüttengemütlichkeit“gemacht. „Hier hätten wir einen einzigartigen Rundumblick in das Zellertal im Süden und bis weit nach Böhmen hinein im Osten“, sagt Körner. Tatsächlich ist nur Nebel zu sehen.
Scharfkantiger Granit bildet fortan den Untergrund auf dem Weg zum Großen Riedelstein, der höchsten Stelle des Kaitersberges. Bei Sonnenschein spenden die Fichten etwas Schatten, ihre Wurzeln durchziehen den Pfad. Trittsicherheit ist hier besonders wichtig, gerade bei Regenwetter, da die Felsvorsprünge bis zu 50 Meter tief abfallen. Oben angekommen, ergießt sich der Blick auf die malerische Berglandschaft des Bayerischen Waldes. Nach einer Gipfelpause geht es bergab durch den feuchten, duftenden Mischwald Richtung Etappenziel Eck.
Anspruchsvolle Route
Körner ist für Hunderte Kilometer Goldsteig-Wegstrecke alleinverantwortlich. Er liebt jeden Meter davon, das merkt man. Hat er dennoch eine Lieblingsroute? „Jedes Stück Goldsteig ist schön, das kann ich gar nicht so sagen“, antwortet er. Wenn man sich außerdem vollkommen auf das Gehen, den Weg und die Natur einlasse, könne man relativ schnell in den Zauber der Landschaft eintauchen.
Als faszinierend aber auch anspruchsvoll gilt die Route des nächsten Tages von Eck zum Großen Arber auf dem Arberkamm. Schließlich hat sie auch einen herausfordernden Namen: Es ist die „Acht-TausenderTour“. Sechzehn Kilometer lang hält die Tour alles, was das Wandererherz begehrt: grandiose Aussichten, federnde Pfade durch das Unterholz oder, ganz oben dann, Wege über Blockformationen alpiner Prägung. Mit Glück finden im tiefen Wald auch Begegnungen mit Waschbären, Auerhühnern oder Falken statt. Auf dieser Etappe erwartet den Wanderer noch echte Einsamkeit. Das ist wundervoll, erfordert aber auch eine gewisse Vorbereitung: Wer die acht Tausender an einem Tag erklimmen will, sollte unbedingt darauf achten, einen ausreichenden Wasservorrat dabeizuhaben. Denn zwischendurch gibt es bis zum Etappenziel, dem Arberschutzhaus, keine Einkehrmöglichkeit. Dafür belohnt die Route, angefangen beim 1080 Meter hohen Mühlriegel über den Schwarzeck, den Enzian und Kleinen Arber bis hinauf zum Großen Arber, mit herrlichen Aussichten von den Gipfeln.
Der nächste Tag verschwindet leider abermals hinter dicken Regenschleiern, so dass es mehr als erlaubt ist, ausnahmsweise drastisch abzukürzen und mit dem Lift direkt hochzufahren zur Arberstation und dem nahe gelegenen Arberschutzhaus. Dort oben verhüllt dichter Nebel den Großen Arber, kaum die Hand ist vor den Augen zu sehen.
Nach einer stürmischen Nacht reißen die Wolken endlich auf, so dass sich in der Frühe vom nicht weit entfernten Gipfelkreuz unverhofft ein einzigartiges Panorama bietet. Sieben Tausender reihen sich wie an einer Kette auf bis hin zu ihrem Höhepunkt, auf dem wir jetzt stehen.