Ein bisschen Kitsch muss sein
Auch Disney erzählt das Märchen „Die Schöne und das Biest“mit kritischen Untertönen
Der Stoff ist bekannt: Das Märchen „Die Schöne und das Biest“gehört zur Weltkultur. Spätestens seit Cocteaus bald klassisch gewordener Verfilmung aus dem Jahr 1946 (mit Jean Marais). Nun hat Disney den Stoff ein weiteres Mal verfilmt.
Es war einmal in alten Zeiten: Belle, ein junges Mädchen, interessiert sich nicht für ihre vielen Verehrer, sondern für Bücher. Sie lebt allein mit ihrem Vater – bis der eines Tages von einem brutalen Ungeheuer gefangengesetzt wird, das auf seinem Besitz wie ein Eremit lebt, weil der einstige Prinz menschliche Gesellschaft scheut. Zu hässlich und furchterregend ist sein Antlitz, seit er von einer bösen Hexe entsprechend verwandelt wurde. Um den Vater zu befreien, gibt sich Belle auch in die Fänge des Biests. Bald wird das verwunschene Schloß für sie zu einem Traumort, einem Reich voller Magie, Fantastik und Zauber und einer Passage ins Erwachsenen-Dasein. Denn allmählich erkennt Belle auch die innere Schönheit des Schlossbesitzers. Die zwischen beiden wachsende Liebe könnte den Fluch lösen – wäre da nicht noch das Böse in Gestalt der Hexe und ihrer Zauberkräfte, und vor allem von Belles Verehrern, dem dörflichen Landsknecht Gaston, einem eitlen Gecken, den Belle verachtet. Eine Zurückweisung, die er in Hass auf alles andere und Fremde verwandelt.
Im Zentrum stehen zwei Gefangene unterschiedlichster Art: Belle muss sich aus dem Bann des Vaters lösen und entdecken, dass das Leben noch völlig unentdeckte Seiten hat. Erwachsenwerden heißt auch, sich zu befreien. Das Biest wiederum wird seine weiche Seite entdecken.
Die neueste Verfilmung stammt von Regisseur Bill Condon („The Twilight Saga: Breaking Dawn“) und hält sich recht genau an den von der Vorlage und ihren großen Verfilmungen gesetzten Rahmen. Neben Cocteau gehört dazu der DisneyAnimationsfilm von 1991. Die Heldin Belle ist auch hier eine selbstbewusste, intelligente junge Frau – ein durchaus sympathisches Vorbild auch für unsere Zeit. Das Biest, der Schloßherr, ist ungeschlacht und jähzornig, hat aber eine empfindsame Seite.
Spannung kommt vor allem durch den Schurken Gaston (Luke Evans) auf, dessen Hass und Ignoranz einem allzu zeitgemäß erscheinen. Ansonsten bietet der Film eine konsumierund vorhersehbare Mischung aus Sentiment und Witz. Der Charme liegt im Detail und vor allem in den hochkarätigen Darstellern und deren Spiellust: Vor allem Emma Watson als Bella beeindruckt, weil es ihr gelingt, den lebensfrohen Pragmatismus des Landmädchens Bella mit einer Dosis Anmut zu versehen. Dan Stevens beweist Mut zur Hässlichkeit. Er schlüpft unter eine furchterregende Maske und gibt das Biest.
Auch die Besetzung der Nebenrollen ist den Besuch wert: Ewan McGregor als der in einen Kerzenleuchter verwandelte Schloßdiener Lumière ist ebenso bezaubernd wie Ian McKellen als dessen Pendant, die verstaubte Standuhr von Unruh. Auch Kevin Kline, Emma Thompson und Stanley Tucci in kleineren Auftritten belegen, dass Geld hier keine Rolle spielt, sondern der DisneyKonzern in die Vollen gegriffen hat – und das gerade mal drei Jahre nach der an den Kassen gefloppten französischen Version mit Lea Seydoux und Vincent Cassel. Vielleicht wollte Hollywood einfach zeigen, dass man sich von den Europäern nicht die Butter vom Brot nehmen lässt.
Man kann über „Beauty and the Beast“(so der Originaltitel) nicht sprechen, ohne ihn auch als Phänomen der globalen Kulturindustrie zu begreifen: Seit Jahrzehnten haben die Disney-Studios die bekanntesten Märchen und Kindererzählungen der Welt für sich gepachtet und schleudern sie in regelmäßigen Abständen in Neuversionen unters Kinovolk. Gerade ist die neueste Runde in vollem Gang: Nach „Cinderella“, „Alice in Wonderland“und dem „Dschungelbuch“ist dieser Film nur der neueste Schritt dieser Generalüberholung für die neue Teen- und Twen-Generation: Man passt die klassischen, oft auch bereits als Zeichentrickfilm vorgelegten Stoffe modernen Sehgewohnheiten an, und wie man gern sagt „entstaubt“sie: Computer-Spezialeffekte umranken die Darsteller, Musik und Soundeffekte motzen den Eindruck auf, etwas modische Verkitschung inbegriffen.
Das Resultat kann sich trotzdem sehen lassen: Immer noch ist dieses fortschrittliche Märchen über eine junge Frau, die sich dem äußeren Schein versagt und alle Vorurteile ihrer Umgebung zurückweist, erstaunlich sperrig und widerständig.