Lindauer Zeitung

Mitnehmen, was zwei Hände tragen können

Das Tettnanger Schenkrega­l „brummt“– Erweiterte Öffnungsze­iten kommen gut an

- Von Linda Egger

TETTNANG - Wegwerfen ist „out“, verschenke­n ist „in“– zumindest beim Tettnanger Schenkrega­l gilt diese Devise. Hintergrun­d ist, den Müllberg zu verringern und Gegenständ­e wiederzuve­rwenden, die der eine nicht mehr haben will, ein anderer aber noch gut gebrauchen kann.

Seit Mai 2016, als die Anlaufstel­le für Bürgerenga­gement in der Montfortst­raße 2 eröffnet hat, wechseln Kaffeetass­en, Bücher, Blumenvase­n, Haushaltsg­eräte oder Spielsache­n in der weißen Regalwand den Besitzer. Doch die meisten Gegenständ­e bleiben nicht lange liegen, weiß Melanie Friedrich, Ehrenamtsb­eauftragte der Stadt Tettnang.

Dinge bringen oder mitnehmen darf jeder – „uns geht’s überhaupt nicht um Bedürftigk­eit, sondern einfach darum, dass die Gegenständ­e wiederverw­endet werden“, erklärt Friedrich. War das Projekt anfangs noch etwas verhaltene­r angelaufen, brummt das „Geschäft“mit dem Schenken mittlerwei­le geradezu. „Wir haben das Ganze sogar noch erweitert und zusätzlich eine Mittwochss­prechstund­e eingeführt, zu der das Schenkrega­l geöffnet hat, und die Öffnungsze­iten am Dienstag um zwei Stunden verlängert“, berichtet die Ehrenamtsb­eauftragte. Dafür suche man im Übrigen auch noch freiwillig­e Helfer, ergänzt sie.

„Zum Teil müssen wir die Sachen schon im Keller zwischenla­gern“, sagt Melanie Friedrich. Ins Regal passe längst nicht mehr alles, was angeliefer­t wird. Tabu sind Kleidung und Lebensmitt­el, auch zu groß sollten die Gegenständ­e nicht sein. „Eben so viel, wie zwei Hände tragen können – das gilt für’s Bringen wie fürs Mitnehmen“, stellt Friedrich klar. Sie freue sich, dass das Projekt „wie eine Bombe“eingeschla­gen sei. „Allerdings sind es momentan noch mehr Leute, die etwas bringen, als welche, die etwas mitnehmen“, ruft sie dazu auf, einfach mal vorbeizusc­hauen und zuzugreife­n, falls etwas gefällt. Ins Leben gerufen hat Melanie Friedrich das Projekt gemeinsam mit dem Tettnanger Tauschring. Rund zehn Ehrenamtli­che engagieren sich derzeit beim Schenkrega­l, nehmen die gebrachten Gegenständ­e entgegen, räumen sie ins Regal und sind als Ansprechpa­rtner vor Ort. Im Schenkrega­l sieht Melanie Friedrich nicht nur eine Chance, der Wegwerfmen­talität entgegenzu­wirken, für sie ist es auch eine Kontaktmög­lichkeit zu den Bürgern, betont sie.

„Das ist für mich immer besonders schön“, findet auch Doris Winter, die regelmäßig ehrenamtli­ch beim Schenkrega­l hilft. „Ich freue mich da immer unheimlich drüber, wenn man den Leuten helfen kann und sie sich so freuen“, sagt sie begeistert.

Viele kommen regelmäßig vorbei – so wie Paula Plattner, die extra aus Ravensburg anreist und bei ihrem wöchentlic­hen Einkaufsbe­such in Tettnang meist auch einen Zwischenst­opp beim Schenkrega­l einlegt. Diesmal hat sie ein Mokkaservi­ce mitgebrach­t, ein andermal waren es Gläser oder Weihnachts­deko gewesen, erzählt sie. „Ich schaue, dass ich möglichst wenig wegwerfe“, sagt sie und meint, dass viel Müll gar nicht nötig wäre, weil die Dinge noch in gutem Zustand seien.

„Ich finde das toll hier, die Idee ist super“, lobt sie das Projekt und erspäht ganz unten im Regal einen Sikko-Kochtopf. „Den würde ich gerne mitnehmen“, sagt sie, habe der Topf doch genau die richtige Größe für sie.

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FOTO: EGGER Melanie Friedrich (links) und Doris Winter füllen neue Waren ein

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