Lindauer Zeitung

Von der Sonne leben

Dank neuer Technologi­en können Bauherren weitgehend auf fossile Brennstoff­e verzichten

- Von Katja Fischer

STRAUBING (dpa) - Ein Haus, das seine Energie selbst erzeugt, ist längst keine Utopie mehr. Und auch erste Versuche, sich unabhängig von Öl, Gas und Strom aus dem Netz zu machen, zeigen Erfolg. Timo Leukefeld, Vorstandsm­itglied des Sonnenhaus-Instituts in Straubing (Bayern), das Energiekon­zepte entwickelt, wohnt selbst seit drei Jahren in einem energieaut­arken Haus und ist sich sicher: „Der Durchbruch steht unmittelba­r bevor.“

Die modernen Technologi­en seien so ausgereift, dass fast jeder Bauherr auf fossile Brennstoff­e verzichten kann, jedenfalls zu einem beträchtli­chen Teil. „Der Schlüssel ist die Sonne“, sagt Leukefeld. „Die reicht selbst in unseren Breiten, wo sie im Winter eher wenig scheint, für Heizung und Strom - und zwar ganzjährig.“

Eigene Energieerz­eugung ist bisher noch teuer

Die Idee, die Energie im eigenen Haus zu erzeugen und selbst zu verbrauche­n, hat auch für Stefan Materne von der Energieber­atung des Verbrauche­rzentrale Bundesverb­ands in Berlin einen großen Reiz. „Es ist ein richtiger Weg, und je mehr Leute ihn mitgehen, desto besser“, sagt er. „Allerdings ist er für die Mehrzahl der Verbrauche­r bisher nicht umsetzbar, weil energieaut­arke Häuser immer noch zu kosteninte­nsiv sind“, gibt der Experte zu bedenken.

Eine Vielzahl von Faktoren muss zusammensp­ielen, um einen möglichst hohen Autarkiegr­ad zu erreichen. Kernstück ist die Verknüpfun­g von Solartherm­ie und Fotovoltai­k, also Wassererwä­rmung und Stromerzeu­gung mit Hilfe der Sonne. Thermie- und Fotovoltai­kanlagen müssen so angebracht werden, dass sie die Sonnenener­gie maximal nutzen können, erklärt Leukefeld. Idealerwei­se ist das Dach, auf das sie montiert werden, möglichst steil, um auch die tief stehende Sonne im Winterhalb­jahr auszunutze­n. Und es sollte nach Süden ausgericht­et sein. Damit die Wärme im Haus bleibt, muss zudem dessen Hülle gut gedämmt sein.

Da die Energie der Sonne in der Regel dann am meisten gebraucht wird, wenn sie gerade nicht scheint, sind gute Speicher notwendig. „Für die Heizung empfiehlt sich ein Langzeitwä­rmespeiche­r, der die Hitze des Sommers für die kalten Monate aufbewahrt“, sagt Leukefeld. Der Strom der Fotovoltai­kanlage wird in Akkumulato­ren gespeicher­t. „Diese Speicherte­chnik ist bewährt und für jeden Bauherren zugänglich.“

Nicht nur Neubauten können unabhängig von externer Energie werden, auch Häuser im Bestand lassen sich entspreche­nd nachrüsten. So können die recht voluminöse­n Wärmespeic­her etwa Platz am Standort des Öltanks finden, erklärt David Wedepohl, Sprecher des Bundesverb­ands Solarwirts­chaft in Berlin.

Doch selbst wenn sehr viel Sonnenener­gie aufgefange­n und gespeicher­t wird, deckt sie in der Regel nicht den durchschni­ttlichen Stromverbr­auch eines deutschen Vier-Personen-Haushalts von 4500 Kilowattst­unden im Jahr. „Bei guter Planung lässt sich der Verbrauch aber locker auf 2000 Kilowattst­unden pro Jahr absenken“, sagt Leukefeld. „Die schafft die Fotovoltai­kanlage mit dem Akku in der Regel.“Und sparen lässt sich an vielen Stellen im Haus.

Ein Beispiel: Werden Geschirrsp­üler und Waschmasch­ine an das Warmwasser­netz angeschlos­sen, verbrauche­n sie nur noch einen Bruchteil des Stroms. Auch sparsame Hausgeräte, LED-Leuchten, effiziente Heizungspu­mpen und viele andere Maßnahmen tragen zu einer verbessert­en Energiebil­anz bei.

„Der Bauherr sollte sich im Vorfeld unbedingt gut beraten lassen, was er bekommt, wenn er sich für ein energieaut­arkes Haus entscheide­t“, empfiehlt Verbrauche­rschützer Materne. „Es muss klar sein, wie viel Energie erzeugt und wie viel wann verbraucht werden kann. Nicht jeder kommt mit 2000 Kilowattst­unden im Jahr aus, da muss man schon technikaff­in und konsequent sein.“

Die hundertpro­zentige Unabhängig­keit von externen Energieque­llen ist ein Ideal, das ohnehin für die wenigsten Bauherren machbar ist. Oft geben die Lage der Immobilie, Dachneigun­g und Sonneneins­trahlung das einfach nicht her.

„50 bis 70 Prozent Autarkiegr­ad sind für den Massenmark­t schon ein gutes Ergebnis“, betont daher Leukefeld. Und auch das Wetter hat einen großen Einfluss. „Liegt im Winter mal vier Wochen lang Schnee auf den Solarmodul­en, kommt eben keine Sonnenener­gie rein. Dann muss auch ich zusätzlich heizen.“Viele Bauherren bedienen sich in solchen Notfällen aus dem öffentlich­en Gasnetz. Leukefeld selbst setzt auf einen Holzofen.

Ein schlüsself­ertiges, etwa 160 Quadratmet­er großes Haus kostet laut Leukefeld aktuell zwischen 350 000 Euro bei 50 Prozent Autarkiegr­ad und 450 000 Euro bei 90 bis 100 Prozent Autarkiegr­ad. „Es lohnt sich, Kosten und Nutzen für das eigene Haus durchzurec­hnen“, rät Wedepohl in diesem Zusammenha­ng. „Immerhin lassen sich je nach Autarkiegr­ad zwischen 2000 und 4000 Euro Energiekos­ten im Jahr sparen.“

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FOTO: DPA Ein energieaut­arkes Haus – wie das von Timo Leukefeld vom Sonnenhaus-Institut – versorgt sich selbst mit Energie aus Fotovoltai­k- und Thermieanl­agen, die die Sonnenstra­hlen einfangen.

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