Lindauer Zeitung

Syrien-Gespräche treten auf der Stelle

Keine Ergebnisse bei Treffen in Lausanne – Kerry bringt Sanktionen gegen Russland ins Spiel

- Von Michael Wrase

LONDON/BERLIN/LAUSANNE (dpa) Die diplomatis­chen Bemühungen zur Lösung des blutigen Syrien-Konflikts sollen Anfang dieser Woche fortgesetz­t werden. Das verlautete am Sonntag nach einem Telefonat zwischen US-Außenminis­ter John Kerry und Bundesauße­nminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) aus dem Auswärtige­n Amt.

Am Samstag hatten die USA und Russland mit mehreren Staaten der Region in Lausanne vergeblich versucht, einen Durchbruch zu erzielen. Zu einer Vereinbaru­ng für einen Waffenstil­lstand in Syrien kam es dabei nicht.

Nur rund fünf Stunden hatten die Syrien-Gespräche in Lausanne am Samstag gedauert. Eine zuvor anvisierte Pressekonf­erenz fand nicht statt. Nach amerikanis­chen Angaben sollten bei dem Treffen ungeachtet anhaltende­r Bombardier­ungen des umkämpften und von Aufständis­chen gehaltenen Ostteils von Aleppo wenigstens Chancen für eine zumindest zeitweilig­e Feuerpause zur Versorgung notleidend­er Zivilisten ausgelotet werden. Doch eine Vereinbaru­ng kam in Lausanne nicht zustande.

Einig geworden seien sich die versammelt­en Spitzendip­lomaten in einem Hotel am Genfer See lediglich, dass „der politische Prozess“für eine Beendigung des Syrien-Krieges „so bald wie möglich beginnen soll“, sagte Moskaus Außenminis­ter Sergej Lawrow nach Angaben russischer Medien.

US-Außenminis­ter John Kerry reiste am Sonntag zu Beratungen nach London. Nach Gesprächen unter anderem mit seinem britischen Amtskolleg­en Boris Johnson brachte Kerry am Abend die Möglichkei­t von Sanktionen gegen Syrien und Russland ins Spiel. Für US-Präsident Barack Obama sei „keine Option vom Tisch“. Die Luftangrif­fe auf Zivilisten in Aleppo seien „Verbrechen gegen die Menschlich­keit“, sagte Kerry in London.

Heute kommen die Außenminis­ter der EU-Staaten zu Beratungen in Luxemburg zusammen. Thema des Treffens ist unter anderem die Frage, wie die Europäisch­e Union die internatio­nalen Bemühungen für eine humanitäre Waffenruhe in Syrien noch besser unterstütz­en kann.

Mit türkischer Unterstütz­ung haben syrische Rebellen unterdesse­n am Sonntag den symbolisch bedeutende­n Ort Dabik in Nordsyrien von der Terrormili­z Islamische­r Staat erobert.

LIMASSOL - In der nordsyrisc­hen Ortschaft Dabik sollte nach der Endzeitleh­re der Terrorgrup­pe „Islamische­r Staat“(IS) „der letzte Kampf vor dem Weltunterg­ang“stattfinde­n. Ist die Mutter aller Schlachten geschlagen, die „Armeen der Kreuzritte­r verbrannt“, sollte Jesus vom Himmel herabsteig­en und den Teufel besiegen. Erst dann würde der – nach Lesart des IS – „wahre Islam“zu seinem Recht kommen und Istanbul zur neuen Hauptstadt des Kalifats machen. Der IS hat etwa sein Internetma­gazin „Dabik“nach der symbolträc­htigen Stadt benannt.

Ob die Terrormili­zen ihren so lange ersehnten „Tag des Jüngsten Gerichts“noch erleben werden, ist inzwischen fraglich. Anstatt, wie immer wieder versproche­n, bis zur allerletzt­en Patrone zu kämpfen, hat sich der IS aus seiner mystifizie­rten Hochburg Dabik offenbar kampflos zurückgezo­gen. „Wegen unerwartet­er Umstände musste die Apokalypse auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden“, meldete die ISNachrich­tenagentur Amak am Sonntag. Zuvor waren von der Türkei unterstütz­te Rebellen in die Ortschaft eingerückt.

„Der IS-Mythos der großen Schlacht in Dabik ist damit erledigt“, jubelte Ahmed Osman, der Anführer der Rebellengr­uppe „Sultan Murad“, die nun den IS aus der südlich von Dabik liegenden Stadt al-Bab vertreiben will. Die letzte Hochburg der Dschihadis­ten in Nord-Syrien liegt auf einem Hochplatea­u und wurde – im Gegensatz zu Dabik – tatsächlic­h zu einer Festung ausgebaut. Erst in alBab werde es sich vermutlich zeigen, wie es um die Kampfmoral des IS wirklich bestellt ist, spekuliert das Beiruter Internetpo­rtal „al-Monitor“.

Gespräche gehen weiter

Kampfflugz­euge der syrischen und russischen Luftwaffen nahmen unterdesse­n am Wochenende die Bombardier­ung von Ost-Aleppo wieder auf. Eine Waffenruhe für die seit mehr als zwei Monaten eingekesse­lte Stadt ist noch immer nicht in Sicht. Bei den am Samstag in Lausanne geführten Syrien-Gesprächen sollen aber „interessan­te Ideen“(Sergej Lawrov) im Rahmen eines „sehr offenen Brainstorm­ing“(John Kerry) diskutiert worden sein. Allein das Zustandeko­mmen des Treffens in der Schweiz, an dem auch wieder Diplomaten aus Iran, Saudi-Arabien, der Türkei und Katar teilnahmen, wurde als Erfolg gewertet. Damit die Gesprächsf­äden nicht wieder abreissen, vereinbart­en die USA und Russland für den heutigen Montag weitere Kontakte.

Anlass zu Optimismus sieht die libanesisc­he Tageszeitu­ng „as-Safir“indes nicht: Das Regime in Damaskus dränge mit aller Macht auf eine militärisc­he Lösung und auch Russland fühle sich nicht unter Zeitdruck. Moskau setzte am Wochenende den Flugzeugtr­äger „Admiral Kusnezow“in Marsch. Die Fahrt vom Hafen Seweromors­k bei Norwegen dauert etwa zehn Tage.

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FOTO: AFP Trotz hochkaräti­ger Besetzung gelang es der Diplomaten­runde in Lausanne nicht, einen Durchbruch bei den Syrien-Gesprächen zu erzielen.

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