Syrien-Gespräche treten auf der Stelle
Keine Ergebnisse bei Treffen in Lausanne – Kerry bringt Sanktionen gegen Russland ins Spiel
LONDON/BERLIN/LAUSANNE (dpa) Die diplomatischen Bemühungen zur Lösung des blutigen Syrien-Konflikts sollen Anfang dieser Woche fortgesetzt werden. Das verlautete am Sonntag nach einem Telefonat zwischen US-Außenminister John Kerry und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) aus dem Auswärtigen Amt.
Am Samstag hatten die USA und Russland mit mehreren Staaten der Region in Lausanne vergeblich versucht, einen Durchbruch zu erzielen. Zu einer Vereinbarung für einen Waffenstillstand in Syrien kam es dabei nicht.
Nur rund fünf Stunden hatten die Syrien-Gespräche in Lausanne am Samstag gedauert. Eine zuvor anvisierte Pressekonferenz fand nicht statt. Nach amerikanischen Angaben sollten bei dem Treffen ungeachtet anhaltender Bombardierungen des umkämpften und von Aufständischen gehaltenen Ostteils von Aleppo wenigstens Chancen für eine zumindest zeitweilige Feuerpause zur Versorgung notleidender Zivilisten ausgelotet werden. Doch eine Vereinbarung kam in Lausanne nicht zustande.
Einig geworden seien sich die versammelten Spitzendiplomaten in einem Hotel am Genfer See lediglich, dass „der politische Prozess“für eine Beendigung des Syrien-Krieges „so bald wie möglich beginnen soll“, sagte Moskaus Außenminister Sergej Lawrow nach Angaben russischer Medien.
US-Außenminister John Kerry reiste am Sonntag zu Beratungen nach London. Nach Gesprächen unter anderem mit seinem britischen Amtskollegen Boris Johnson brachte Kerry am Abend die Möglichkeit von Sanktionen gegen Syrien und Russland ins Spiel. Für US-Präsident Barack Obama sei „keine Option vom Tisch“. Die Luftangriffe auf Zivilisten in Aleppo seien „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, sagte Kerry in London.
Heute kommen die Außenminister der EU-Staaten zu Beratungen in Luxemburg zusammen. Thema des Treffens ist unter anderem die Frage, wie die Europäische Union die internationalen Bemühungen für eine humanitäre Waffenruhe in Syrien noch besser unterstützen kann.
Mit türkischer Unterstützung haben syrische Rebellen unterdessen am Sonntag den symbolisch bedeutenden Ort Dabik in Nordsyrien von der Terrormiliz Islamischer Staat erobert.
LIMASSOL - In der nordsyrischen Ortschaft Dabik sollte nach der Endzeitlehre der Terrorgruppe „Islamischer Staat“(IS) „der letzte Kampf vor dem Weltuntergang“stattfinden. Ist die Mutter aller Schlachten geschlagen, die „Armeen der Kreuzritter verbrannt“, sollte Jesus vom Himmel herabsteigen und den Teufel besiegen. Erst dann würde der – nach Lesart des IS – „wahre Islam“zu seinem Recht kommen und Istanbul zur neuen Hauptstadt des Kalifats machen. Der IS hat etwa sein Internetmagazin „Dabik“nach der symbolträchtigen Stadt benannt.
Ob die Terrormilizen ihren so lange ersehnten „Tag des Jüngsten Gerichts“noch erleben werden, ist inzwischen fraglich. Anstatt, wie immer wieder versprochen, bis zur allerletzten Patrone zu kämpfen, hat sich der IS aus seiner mystifizierten Hochburg Dabik offenbar kampflos zurückgezogen. „Wegen unerwarteter Umstände musste die Apokalypse auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden“, meldete die ISNachrichtenagentur Amak am Sonntag. Zuvor waren von der Türkei unterstützte Rebellen in die Ortschaft eingerückt.
„Der IS-Mythos der großen Schlacht in Dabik ist damit erledigt“, jubelte Ahmed Osman, der Anführer der Rebellengruppe „Sultan Murad“, die nun den IS aus der südlich von Dabik liegenden Stadt al-Bab vertreiben will. Die letzte Hochburg der Dschihadisten in Nord-Syrien liegt auf einem Hochplateau und wurde – im Gegensatz zu Dabik – tatsächlich zu einer Festung ausgebaut. Erst in alBab werde es sich vermutlich zeigen, wie es um die Kampfmoral des IS wirklich bestellt ist, spekuliert das Beiruter Internetportal „al-Monitor“.
Gespräche gehen weiter
Kampfflugzeuge der syrischen und russischen Luftwaffen nahmen unterdessen am Wochenende die Bombardierung von Ost-Aleppo wieder auf. Eine Waffenruhe für die seit mehr als zwei Monaten eingekesselte Stadt ist noch immer nicht in Sicht. Bei den am Samstag in Lausanne geführten Syrien-Gesprächen sollen aber „interessante Ideen“(Sergej Lawrov) im Rahmen eines „sehr offenen Brainstorming“(John Kerry) diskutiert worden sein. Allein das Zustandekommen des Treffens in der Schweiz, an dem auch wieder Diplomaten aus Iran, Saudi-Arabien, der Türkei und Katar teilnahmen, wurde als Erfolg gewertet. Damit die Gesprächsfäden nicht wieder abreissen, vereinbarten die USA und Russland für den heutigen Montag weitere Kontakte.
Anlass zu Optimismus sieht die libanesische Tageszeitung „as-Safir“indes nicht: Das Regime in Damaskus dränge mit aller Macht auf eine militärische Lösung und auch Russland fühle sich nicht unter Zeitdruck. Moskau setzte am Wochenende den Flugzeugträger „Admiral Kusnezow“in Marsch. Die Fahrt vom Hafen Seweromorsk bei Norwegen dauert etwa zehn Tage.