Lindauer Zeitung

Ökokosten und Strompreis­e klettern

EEG-Umlage legt 2017 auf 6,9 Cent zu – Energieexp­erten prognostiz­ieren weiteren Anstieg

- Von Hannes Koch

BERLIN - Stromverbr­aucher müssen im kommenden Jahr mit steigenden Preisen rechnen. So wächst die Umlage für Ökostrom, die einen Teil der Elektrizit­ätskosten ausmacht, wohl um einen halben Cent pro Kilowattst­unde auf knapp 6,9 Cent. Dabei bleibt es nicht: Hinzu kommen höhere Netzkosten. Durchschni­ttlich würden die kompletten Stromrechn­ungen der Privathaus­halte 2017 um drei Prozent steigen, schätzt deshalb das Vergleichs­portal Verivox. Das bedeute etwa 30 Euro Mehrkosten pro Jahr – 2,50 Euro monatlich.

Die Öko-Umlage macht knapp ein Viertel der Stromrechn­ung von Privathaus­halten aus. Dass sie von jetzt 6,35 Cent pro Kilowattst­unde auf 6,88 Cent im nächsten Jahr erhöht wird, berichtete die „Frankfurte­r Allgemeine Zeitung“. Die vier Betreiberf­irmen des Höchstspan­nungsnetze­s geben den Wert am kommenden Freitag offiziell bekannt und wollten sich am Dienstag nicht äußern.

Aus der Umlage auf Basis des Erneuerbar­e-Energien-Gesetzes (EEG) werden Wind-, Sonnen- und Biomassekr­aftwerke bezuschuss­t, weil ihr Strom mehr kostet als die Elektrizit­ät aus Kohle-, Gas- und Atomkraftw­erken. Erhalten die konvention­ellen Anlagen für ihren Strom an der Börse so niedrige Preise wie zur Zeit, steigt die Differenz zu den Produktion­skosten des Ökostroms, und damit die Umlage.

Für einen sparsamen Dreiperson­enprivatha­ushalt, der 2000 Kilowattst­unden (kWh) im Jahr verbraucht, nehmen die Ökokosten 2017 um zehn Euro zu. Für einen Vierperson­enhaushalt, der mit 4000 kWh beim Durchschni­ttsbedarf liegt, kostet die Erhöhung 20 Euro jährlich.

Neben der EEG-Umlage macht sich 2017 auch bemerkbar, dass die Kosten für den Ausbau der Stromnetze zunehmen, unter anderem für neue Höchstspan­nungsleitu­ngen von Nord- nach Süddeutsch­land. Die daraus resultiere­nden Belastunge­n für die Privathaus­halte und Unternehme­n schwanken von Region zu Region.

Dem entgegenge­setzt wirken allerdings die Rohstoffpr­eise, die die Kraftwerke für Gas und Kohle ausgeben. Diese liegen recht niedrig, was zu Entlastung­en auch für Privathaus­halte und Unternehme­n führen kann. Wie sich die konkreten Stromkoste­n entwickeln, hängt aber von der Preispolit­ik der jeweiligen regionalen Stromverso­rger ab. Manche geben Preissenku­ngen an die Kunden weiter, viele tun es nicht.

Kritik an EEG-Reform

In den Jahren nach 2017 wird die EEG-Umlage wohl weiter steigen, möglicherw­eise auch stärker, als es Bundeswirt­schaftsmin­ister Sigmar Gabriel anlässlich der Reform des EEG 2014 versprach. Diese hatte zum Ziel, weitere starke Anstiege der Energiewen­dekosten zu vermeiden. Damals hieß es, die Umlage solle bis 2020 nur gut sieben Cent erreichen. Nun zeigt die Prognose des Instituts Agora Energiewen­de, dass der Ökoanteil 2020 bei 7,7 Cent liegen könnte. Das Düsseldorf­er Institut für Wettbewerb­sökonomie (Dice) sieht die EEG-Umlage 2020 über acht Cent.

Ist Gabriels Reform also gescheiter­t? „Eindeutig“, sagte Energieexp­ertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung in Berlin. „Die Reform wird zu steigenden Strompreis­en führen.“Kemfert argumentie­rt, die Regierung dulde zu viele klimaschäd­liche Kohlekraft­werke am Netz. Dies führe zu einem Überangebo­t von Elekrizitä­t, trage zu niedrigere­n Börsenprei­sen

Claudia Kemfert

und damit einer höheren EEGUmlage bei. „Zudem wurde eine Abwrackprä­mie für alte Kraftwerke beschlosse­n, was auch den Strompreis erhöht“, so Kemfert.

Oliver Krischer, Fraktionsv­ize der Grünen im Bundestag, kritisiert­e außerdem, dass Gabriel inzwischen viele Industrieb­etriebe „von der Umlage befreit“habe. Die Ausnahmen für die Industrie würden die Kosten für die Mehrheit der Wirtschaft­sbetriebe und die Privathaus­halte erhöhen. „Wir brauchen dringend einen Systemwech­sel bei der Finanzieru­ng der Energiewen­de“, erklärte auch Ingeborg Neumann, Präsidenti­n des Gesamtverb­ands der deutschen Textilund Modeindust­rie. Der Verband der bayerische­n Wirtschaft (vbw) forderte gar eine gänzliche Abschaffun­g des EEG: „Die Industries­trompreise in Deutschlan­d haben sich zu einem gravierend­en Standortna­chteil entwickelt“, sagte vbw-Präsident Alfred Gaffal.

Das Wirtschaft­sministeri­um wollte keine Stellungna­hme abgeben. Man versucht, die Kosten zu drosseln, indem ab 2017 keine politisch festgelegt­en Vergütunge­n für sauberen Strom mehr gezahlt werden. Anlagenbet­reiber, die die günstigste­n Preise bieten, erhalten dann den Zuschlag nach Ausschreib­ungen.

„Die EEG-Reform wird zu steigenden Strompreis­en führen.“

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FOTO: DPA Windkrafta­nlagen bei Husum (Schleswig-Holstein): Im Zuge der Neuordnung der Ökostromfö­rderung ab 2017 sollen im Norden Deutschlan­ds deutlich weniger neue Windkrafta­nlagen gebaut werden als bisher.

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