Satiriker
Nun hat Jan Böhmermann es amtlich: Sein „Schmähgedicht“über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ist ein Kunstwerk. Bei Satire und Karikatur sei es „wesenseigen“, dass mit Übertreibungen, Verzerrungen und Verfremdungen gearbeitet werde – so formuliert es die Staatsanwaltschaft in Mainz. Deswegen wurden die Ermittlungen gegen den ZDFModerator eingestellt.
Dabei war es heftig, was der 35-Jährige in seiner Sendung auf ZDFneo über Erdogan erzählt hatte: Er sprach von Sex mit Tieren, von Kinderpornografie und verwendete jede Menge Klischees. Die Staatsanwaltschaft nennt das eine „Anhäufung vollkommen übertriebener, abwegig anmutender Zuschreibungen“. Ein Bezug zur Realität fehle offenbar absichtlich.
Strafrechtlich hat Böhmermann die Sache überstanden. Doch ganz ausgestanden ist die Angelegenheit noch nicht. Zivilrechtlich will der türkische Präsident im November vor Gericht erreichen, dass der gesamte Text verboten wird.
Als Reaktion auf das Ende der Ermittlungen twitterte Böhmermann mit seinem Team von „Neo Magazin Royale“einen Hut mit Luftschlangen und forderte „Ziegenkäse für alle!“
Böhmermann, als Sohn eines Polizeibeamten 1981 in Bremen geboren, hatte 1999 als Reporter bei Radio Bremen begonnen. Seit Oktober 2013 moderierte Böhmermann, der ein Studium der Geschichte, Soziologie und Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften abgebrochen hat, im ZDF. Dessen Intendant Thomas Bellut sagte am Dienstag, die Staatsanwaltschaft mache deutlich, dass die Kunst- und Meinungsfreiheit in unserer Gesellschaft einen außerordentlich hohen Stellenwert besitze: „Das ist eine gute Nachricht.“
Böhmermanns Anwalt Christian Schertz übt heftige Kritik an Kanzlerin Angela Merkel. Diese habe das Gedicht pauschal als „bewusst verletzend“bewertet. Damit habe sie Böhmermann öffentlich vorverurteilt. Erst durch die Ermächtigung zur Strafverfolgung der Bundesregierung konnte die Staatsanwaltschaft nach Paragraf 103 ermitteln. Merkel hatte ihre Äußerung, Böhmermanns Gedicht sei „bewusst verletzend“, später allerdings selbst als Fehler bezeichnet. (dpa/sz)