Vorsitzender Richter will keine Storys aus „1000 und einer Nacht“hören
Fünf Männer wegen besonders schweren Diebstählen angeklagt – Gericht gibt ehemaligen Black Jackets Chance
TETTNANG (sig) - Wegen schweren Diebstahls in wechselnder Besetzung haben sich am Mittwoch vor dem Jugendschöffengericht im Amtsgericht Tettnang fünf Männer im Alter um die 20 Jahre verantwortet. Hatten die in Fitnessstudios (und im Knast) gestählten Muskelpakete die von ihnen anfangs feixend begleitete Verhandlung recht amüsant gesehen, schien ihre Einstellung nach mehr als achtstündiger Verhandlung tatsächlicher Ernsthaftigkeit gewichen zu sein. Und das trotz moderater Urteile des Vorsitzenden Richters Hussels-Eichhorn und seiner Schöffen.
Wenn sich Richter, Schöffen und Angeklagte bereits bei Prozessbeginn kennen, lässt das nicht unbedingt auf eine positive Vergangenheit der Angeklagten schließen. „Wir kennen uns“, sagte der Vorsitzende, und beim Anblick eines Angeklagten konnte er es kaum fassen, dass der tatsächlich zur Verhandlung gekommen war: „Er ist da, ich glaub‘s nicht.“Richter und Schöffen konnten von ihrem Platz im Gericht auf zwei Tatorte blicken – auf die „Mittelmühle“wie auf das „Café Montfort“. Unter anderem auf diese Lokale hatten es die Angeklagten abgese- hen, als sie mit brachialer Gewalt einstiegen, um vor allem Geld zu suchen. Andere Ziele waren das Häfler Tanzlokal „Fortuna“, „Schussenstüble“und „Milchbix“in Eriskirch oder die „Waldschenke“in Brochenzell. Die Vorgehensweisen ähnelten sich sehr. Fenster wurden eingeschlagen, Türen aufgehebelt und Spielautomaten zu knacken versucht. Geleerte Kassetten wurden in Wälder geworfen. Alle Taten gehen bis 2012 zurück, als der jüngste Angeklagte erst zarte 18 Jahre alt war. Motiv der Raubzüge waren bei ihm wie bei den anderen primär Geldprobleme. Oft überstieg der Sachschaden die Beute.
Keine große Ausbeute
Ihre „Storys aus 1000 und einer Nacht“und „den Blödsinn“, den sie bei ihrer Festnahme der Polizei erzählt haben, verbat sich der Vorsitzende. Zum Beispiel ihr vermeintliches Nichtwissen darüber, wer in einem Fall die Bewegungsmelder im Lokal abgeklebt hat. Es könne sein, dass er „beim Abschneiden des Klebebands geholfen hat“, räumte einer schließlich ein. „Völliger Blödsinn“sei, sich gegenseitig bei der Polizei angeschwärzt zu haben, stellte ein anderer „richtig“, schließlich sei „das mein bester Freund“. Freunde waren einige von ihnen früher bei den „Black Jackets“, doch das ist vorbei. Was die Angeklagten in den Lokalen an Geld fanden, war nicht zu üppig. Die Absicht, damit Schulden zurückzuzahlen, erfüllte sich nicht.
Die teils mit mehreren Vorstrafen gekommenen Angeklagten waren alle geständig, einige befinden sich inzwischen in einem Arbeitsverhältnis oder auf der Schulbank. Die Jugendgerichtshilfe stellte ihnen durchweg positive Sozialprognosen aus. Der Staatsanwalt machte für die Dynamik der Straftaten die einstige Nähe zu den „Black Jackets“aus, in deren Sog sie sich noch befunden hätten. Dem früheren Tettnanger Richter Axel Müller sei es zu verdanken, diesen Sumpf trockengelegt zu haben.
Die Urteile des Gerichts – das einen Tag zuvor noch einen anonymen Drohbrief erhalten hatte – bewegten sich von acht Monaten mit Bewährung über 80 zu absolvierende Arbeitsstunden, einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten zur Bewährung (eine neunmonatige frühere Verurteilung einbeziehend) bis zu Geld- und Arbeitsauflagen. Zwei Verfahren wurden eingestellt. Alle Urteile wurden angenommen.