Lindauer Zeitung

Rom steckt im Mafiasumpf

- Von Thomas Migge, Rom

äglich neue Fakten und Festnahmen: Rom war jahrelang unterwande­rt von einem dunklen Syndikat, das Unsummen an öffentlich­en Geldern einstrich. Mit jeder neuen Erkenntnis der Ermittler und mit jeder Enthüllung in der Presse dämmert es den Italienern etwas mehr, dass ihre Hauptstadt in den vergangene­n Jahren ganz und gar von einem Syndikat aus ehemaligen faschistis­chen Terroriste­n, linken Unternehme­rn, bürgerlich­en wie progressiv­en Stadträten und Beamten unterwande­rt wurde: Zerfressen und ausgesaugt von der Mafia Capitale, Roms Mafia der Neuzeit.

Nach den ersten beiden großen Verhaftung­swellen im Mai und Anfang Juni kam es am Wochenende zu weiteren Verhaftung­en. Der Fall zieht immer weitere Kreise. Ein „mafiös-korrupter Sumpf“, so der neue römische Polizeiprä­sident Franco Gabrielli, „scheint Rom erfasst zu haben“. Organisier­t wurde das Netz durch den Rechtsradi­kalen Massimo Carminati, den Sozialdemo­kraten Salvatore Buzzi und Luca Odevaine, Kabinettsc­hef des vorletzten linken Bürgermeis­ters Walter Veltroni.

Die Dreierband­e scheint nicht nur ein über ganz Rom verteiltes Schmiergel­dnetz geschaffen und kontrollie­rt zu haben, damit Bauaufträg­e an die „richtigen“Unternehme­r gehen, sondern auch die gesamte Logistik zur Unterbring­ung von Tausenden nach Rom gekommenen Einwandere­rn. Seit diesem Wochenende ist klar, dass die drei Angeklagte­n nicht nur in Rom die Organisati­on von Auffanglag­ern kontrollie­rten, sondern anscheinen­d in ganz Italien.

Roms Polizeiprä­sident Gabrielli hat sich bis 15. Juni Zeit genommen, sämtliche bisher vorliegend­en Ermittlung­sergebniss­e zu studieren. Die Resultate betreffen die fünf Jahre Stadtregie­rung unter dem Rechten Gianni Alemanno und die ersten zwei Jahre des amtierende­n Sozialdemo­kraten Ignazio Marino. Dann entscheide­t Gabrielli, ob die Hauptstadt für 24 oder 36 Monate kommissari­sch verwaltet werden soll. Das letzte Wort hat allerdings der Innenminis­ter.

Das ist Angelino Alfano, Chef der Mitterecht­spartei NCD und Koalitions­partner von Regierungs­chef Matteo Renzi. Abgehörte Telefonate der Polizei scheinen darauf hinzudeute­n, dass Vertraute Alfanos ebenfalls mit dem kriminelle­n Trio etwas zu tun haben. Darunter anscheinen­d auch einflussre­iche Mitglieder des Unternehme­rzweiges von Comunione e Liberazion­e (CL), der größten katholisch­en Laienverei­nigung Italiens. CL steht der Kooperativ­e La Cascina vor, die zahlreiche Mensen, auch in Auffanglag­ern für Einwandere­r, betreut.

Die rechte Opposition in Rom fordert jetzt den sofortigen Rücktritt von Bürgermeis­ter Marino. Doch Renzi erklärte, dass er voll hinter seinem Parteifreu­nd stehe. Renzi erinnerte in diesem Zusammenha­ng daran, dass es Marino war, der direkt nach seiner Wahl zum Bürgermeis­ter einen Kommissar ins Rathaus holte, der vorliegend­en Verdächtig­ungen auf die Spur gehen sollte. Ein Kommissar, der mit seiner Arbeit einen gewaltigen Stein ins Rollen brachte.

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