Rom steckt im Mafiasumpf
äglich neue Fakten und Festnahmen: Rom war jahrelang unterwandert von einem dunklen Syndikat, das Unsummen an öffentlichen Geldern einstrich. Mit jeder neuen Erkenntnis der Ermittler und mit jeder Enthüllung in der Presse dämmert es den Italienern etwas mehr, dass ihre Hauptstadt in den vergangenen Jahren ganz und gar von einem Syndikat aus ehemaligen faschistischen Terroristen, linken Unternehmern, bürgerlichen wie progressiven Stadträten und Beamten unterwandert wurde: Zerfressen und ausgesaugt von der Mafia Capitale, Roms Mafia der Neuzeit.
Nach den ersten beiden großen Verhaftungswellen im Mai und Anfang Juni kam es am Wochenende zu weiteren Verhaftungen. Der Fall zieht immer weitere Kreise. Ein „mafiös-korrupter Sumpf“, so der neue römische Polizeipräsident Franco Gabrielli, „scheint Rom erfasst zu haben“. Organisiert wurde das Netz durch den Rechtsradikalen Massimo Carminati, den Sozialdemokraten Salvatore Buzzi und Luca Odevaine, Kabinettschef des vorletzten linken Bürgermeisters Walter Veltroni.
Die Dreierbande scheint nicht nur ein über ganz Rom verteiltes Schmiergeldnetz geschaffen und kontrolliert zu haben, damit Bauaufträge an die „richtigen“Unternehmer gehen, sondern auch die gesamte Logistik zur Unterbringung von Tausenden nach Rom gekommenen Einwanderern. Seit diesem Wochenende ist klar, dass die drei Angeklagten nicht nur in Rom die Organisation von Auffanglagern kontrollierten, sondern anscheinend in ganz Italien.
Roms Polizeipräsident Gabrielli hat sich bis 15. Juni Zeit genommen, sämtliche bisher vorliegenden Ermittlungsergebnisse zu studieren. Die Resultate betreffen die fünf Jahre Stadtregierung unter dem Rechten Gianni Alemanno und die ersten zwei Jahre des amtierenden Sozialdemokraten Ignazio Marino. Dann entscheidet Gabrielli, ob die Hauptstadt für 24 oder 36 Monate kommissarisch verwaltet werden soll. Das letzte Wort hat allerdings der Innenminister.
Das ist Angelino Alfano, Chef der Mitterechtspartei NCD und Koalitionspartner von Regierungschef Matteo Renzi. Abgehörte Telefonate der Polizei scheinen darauf hinzudeuten, dass Vertraute Alfanos ebenfalls mit dem kriminellen Trio etwas zu tun haben. Darunter anscheinend auch einflussreiche Mitglieder des Unternehmerzweiges von Comunione e Liberazione (CL), der größten katholischen Laienvereinigung Italiens. CL steht der Kooperative La Cascina vor, die zahlreiche Mensen, auch in Auffanglagern für Einwanderer, betreut.
Die rechte Opposition in Rom fordert jetzt den sofortigen Rücktritt von Bürgermeister Marino. Doch Renzi erklärte, dass er voll hinter seinem Parteifreund stehe. Renzi erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass es Marino war, der direkt nach seiner Wahl zum Bürgermeister einen Kommissar ins Rathaus holte, der vorliegenden Verdächtigungen auf die Spur gehen sollte. Ein Kommissar, der mit seiner Arbeit einen gewaltigen Stein ins Rollen brachte.