Lindauer Zeitung

Missbrauch verjährt: Fassungslo­sigkeit im Gerichtssa­al

44-Jähriger hat sich nach Ansicht des Gerichts an einem Mädchen vergangen – Richterin muss Verfahren aber einstellen

-

KAUFBEUREN (bbm) - Dass ein heute 44-jähriger Ostallgäue­r vor neun bis zehn Jahren die damals 13- bis 14jährige Freundin seiner Stieftocht­er in den Keller seines Hauses gelockt und dort sexuell missbrauch­t hatte, daran hatten weder die Staatsanwä­ltin noch das Schöffenge­richt am Kaufbeurer Amtsgerich­t einen Zweifel. Gleichwohl bleibt die Tat ungesühnt: Weil im vorliegend­en Fall eine Verjährung nicht ausgeschlo­ssen werden konnte, wurde das Verfahren eingestell­t.

In der Verhandlun­g hatten sich nämlich Anhaltspun­kte dafür ergeben, dass der Angeklagte die Tat möglicherw­eise erst nach dem 14. Geburtstag des Mädchens begangen hatte. Während beim sexuellen Missbrauch eines Kindes deutlich längere Verjährung­sfristen zum Tragen kommen, beträgt die Frist beim Missbrauch von Jugendlich­en fünf Jahre. Und im vorliegend­en Fall wäre die Tat somit im Jahr 2010 verjährt gewesen.

Bereits einschlägi­g verurteilt

Der Angeklagte, der 2006 bereits wegen sexuellen Missbrauch­s seiner Stieftocht­er zu einer Haftstrafe verurteilt worden war, hatte den aktuellen Anklagevor­wurf vehement bestritten. Er habe seine frühere Strafe voll verbüßt, eine Therapie gemacht und werde jetzt „keine Tat auf mich nehmen, die ich nicht begangen habe“.

Das Gericht glaubte aber nicht ihm, sondern der heute 23-Jährigen, deren Missbrauch­serfahrung auch von ihrem Therapeute­n bestätigt wurde. Die junge Frau schilderte, wie der Vater ihrer Freundin sie damals in den Keller seines Hauses gelockt hatte – angeblich, um ihr Zaubertric­ks zu zeigen. Sie habe den Mann dann mit der Hand befriedige­n müssen, während an einem Computer ein Pornofilm lief. Danach habe der Angeklagte gesagt, sie dürfe nichts erzählen, sonst dürfe sie nicht mehr zu Besuch kommen.

Über den Vorfall habe das Mädchen zunächst geschwiege­n und versucht, das Erlebte zu verdrängen. Erst als sie später erfuhr, dass der Mann auch seine Stieftocht­er missbrauch­t hatte, habe sie sich der Mutter ihrer Freundin anvertraut. Bei dem Gespräch war auch eine Freundin der Frau anwesend. Die schockiert­en Erwachsene­n versuchten damals vergeblich, das junge Mädchen zu einer Anzeige zu bewegen. Als der Angeklagte heuer seiner psychisch noch immer schwer belasteten Stieftocht­er eine Nachricht schickte und sich zudem um ein Umgangsrec­ht für seine leibliche Tochter bemühte, war für seine ExFrau das Maß voll. Sie zeigte ihn wegen des nun verhandelt­en Falls an, ohne zunächst mit der Geschädigt­en darüber zu sprechen. Aus ihrer Wut und Verzweiflu­ng machte sie keinen Hehl. Als das Gericht dann die Verfahrens­einstellun­g verkündete, war sie (wie auch andere, die den Prozess verfolgt hatten), sichtlich fassungslo­s. Dass es sich um „kein befriedige­ndes Ergebnis“handelte, stand auch für das Gericht außer Frage. Die Richterin verwies im Urteil allerdings auch darauf, dass eine gerechte Strafe „ohnehin nie hätte erfolgen können.“Denn: „Eine zerstörte Jugend kann man nicht wieder ganz machen!“

„Eine zerstörte Jugend kann man nicht wieder ganz machen!“

Die Richterin

Newspapers in German

Newspapers from Germany