Randparteien sind keine Alternative
Auf den ersten Blick eröffnet der Blick nach Erfurt der Stuttgarter Politik gleich ein ganzes Füllhorn neuer Möglichkeiten: In Thüringen geht ein rot-rot-grünes Bündnis mit Deutschlands erstem Linkspartei-Ministerpräsidenten an den Start. Und um das zu verhindern, ging die dortige Union sogar mit der rechtskonservativen AfD auf Tuchfühlung. Doch obwohl sowohl Linke als auch AfD derzeit bei Umfragen im Südwesten an der Fünfprozenthürde kratzen, weckt der Lockruf des Randes bei den etablierten Parteien keine Politfantasien. SPD-Chef Nils Schmid lehnt den Flirt mit der Linkspartei ebenso deutlich ab wie der neue CDU-Hoffnungsträger Guido Wolf die Annäherung an die AfD.
Und das aus gutem Grund. Die drei großen Parteien im Südwesten gehen für die Landtagswahl 2016 derzeit von zwei möglichen Szenarien aus: Haben SPD und Grüne zusammen eine Mehrheit, macht Grün-Rot weiter – ob der Ministerpräsident nun Schmid oder Kretschmann heißt. Reicht es nicht für Grün-Rot, kann sich CDU-Spitzenmann Guido Wolf unter beiden einen Koalitionspartner aussuchen. Selbst wenn die zwei Kleinparteien 2016 in den Landtag kämen, würden sie daran nichts ändern. Sie könnten höchstens GrünRot entscheidende Prozente kosten.
Mögliche rechnerische Mehrheiten wie Rot-Rot-Grün oder CDU/AfD sind im Südwesten derzeit – anders als in vielen ostdeutschen Landtagen – politisch nicht durchsetzbar. Weite Teile der SPD und der Grünen hegen mehr Sympathien für die CDU als für die Linkspartei, selbst wenn eine Zusammenarbeit mit den Linken 2016 die einzige Möglichkeit zum Machterhalt der Koalition bieten sollte. Und die Union im Südwesten will nicht der Landesverband sein, der die AfD im Bund hoffähig gemacht hat.
Lieber regiert man mit einem Ministerposten weniger als sich auf ein Parlamentsabenteuer mit unerfahrenen Querköpfen einzulassen. Für Politfantasten mögen das langweilige Aussichten sein – für das Land verspricht es Stabilität. Schlecht sieht es indes für die Südwest-FDP aus – sie findet in den Planspielen der anderen Parteien kaum noch statt.