Jeder soll wissen, was auf den Frühstückstisch kommt
Weniger Zucker im Saft, strengere Regeln für Honig und mehr Frucht in der Marmelade – das EU-Parlament ändert seine „Frühstücksrichtlinie“. Verbraucherschützern schmeckt das nur bedingt.
Der Fleiß der Bienen ist legendär und trotzdem reicht ihr sagenhafter Arbeitseifer nicht aus, um den Frühstücksappetit der Europäer zu bedienen. Besonders die Deutschen streichen sich zur ersten Mahlzeit des Tages gerne Honig aufs Brot. Mehr als 20 Millionen Menschen greifen mindestens einmal pro Monat zu dem Naturaufstrich, im Jahr 2022 konsumierte ein Bundesbürger durchschnittlich rund 935 Gramm Honig. Und auch in anderen europäischen Ländern isst man deutlich mehr Honig, als dass die produktiven Insekten auf dem Kontinent mit dem Nektarsammeln nachkommen könnten. Deshalb muss die EU rund 40 Prozent des Honigs importieren, vor allem aus der Ukraine, aus China, Mexiko oder der Türkei. Und damit wird es problematisch.
Weil Honig zu rund vier Fünfteln aus Zucker besteht, lässt er sich leicht panschen, zum Beispiel mit Zuckersirup aus Reis, Weizen oder Zuckerrüben. Das ist innerhalb der EU zwar seit 2001 streng verboten, doch die EU-Kommission schätzt, dass fast die Hälfte aller Honigimporte gestreckt sind.
Verbraucher können diesen Betrug kaum erkennen. Auf den Etiketten wird meist nicht einmal ersichtlich, aus welchem Land der enthaltene Honig stammt. Stattdessen geben Zusätze wie „mit außereuropäischem Honig gemischt“oder „Mischung von Honig aus EU- und Nicht-EU-Ländern“nur Rätsel auf. Das ändert die Europäische Union nun.
Künftig müssen die Herkunftsländer in absteigender Reihenfolge aufgeführt werden, zusammen mit dem prozentualen Anteil des Produkts, der aus diesen Staaten kommt. Um das Geschäft mit der Panscherei zu stoppen, will die Gemeinschaft zudem die Kontrollen verbessern und Nachweismethoden entwickeln.
Außerdem soll ein System zur Rückverfolgbarkeit eingeführt werden, damit Kunden ihren Honig bis zu einem bestimmten Imker oder Importeur tracken können. Verbraucher sollen „volle Transparenz darüber haben, was in ihren Einkaufskörben landet“, sagte die sozialdemokratische EUParlamentarierin
Delara Burkhardt. Auch der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber lobte das Ende des „Etikettenschwindels“: „Mit dieser Entscheidung kehrt Transparenz auf dem Frühstückstisch ein.“
Die neuen Vorschriften sind Teil der Änderungen der sogenannten Frühstücksrichtlinien, die das EUParlament am Mittwochabend in Brüssel absegnete. Der Name verrät ausnahmsweise, worum es geht: Vorgaben zur Zusammensetzung, Verkaufsbezeichnung und Kennzeichnung von Produkten wie Honig, Fruchtsäften, Marmeladen,
Konfitüren, Gelees und Milchpulver. Neu ist, dass künftig Marmelade auch Marmelade heißen darf. Bisher war das Konfitüren aus Zitrusfrüchten vorbehalten.
Außerdem soll der MinimalFruchtanteil in Marmeladen von 35 Prozent auf 45 Prozent steigen, während „Extra-Konfitüren“in Zukunft nicht mehr einen Fruchtgehalt von 450 Gramm, sondern von 500 Gramm pro Kilogramm aufweisen müssen. „Wir sorgen dafür, dass sich mehr Frucht und weniger Zucker im Marmeladenglas befindet“, sagt Burkhardt. „Die neuen Vorgaben stellen sicher, dass der Kunde bei Marmelade bekommt, was auf der Verpackung steht“, erklärt Ferber.
Für Kritik sorgte allerdings die Entscheidung, dass auf der Verpackung von Fruchtsäften künftig der Hinweis stehen darf, dass diese „nur natürlich vorkommenden Zucker“enthalten. Diese Angabe sei „irreführend“, beklagte die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch, da jeder Zucker zwar „natürlich vorkommt“, das aber nicht bedeute, dass er gut zu verzehren sei. „Der einzige Zucker, der wirklich ‚natürlich’ ist, ist derjenige in einem unversehrten Lebensmittel“, sagt Suzy Sumner, Leiterin des Brüsseler Büros von Foodwatch International. Sobald Obst entsaftet und alle Ballaststoffe entfernt würden, werde es als ,freier Zucker’ eingestuft und habe die gleichen gesundheitsschädlichen Auswirkungen wie zugesetzter Zucker.
Die Kommission hatte ursprünglich vorgeschlagen, dass Unternehmen das Label „ohne Zuckerzusatz“wieder auf der Vorderseite der Packung verwenden dürfen. Die Praxis ist in der Gemeinschaft seit 2016 illegal, nachdem 2012 beschlossen wurde, den nährwertbezogenen Hinweis für Fruchtsaft zu verbieten. Nun also einigten sich die Gesetzgeber auf den Kompromiss. „Als Verbraucher in der EU denken wir, dass die Angaben auf der Vorderseite einer Packung korrekt und überprüft sind – aber das sind sie nicht“, kritisierte Sumner. Die Info „ohne Zuckerzusatz“durch eine „andere irreführende und nichtssagende“Angabe zu ersetzen, ist aus ihrer Sicht keine Lösung: „Die Kommission beugte sich dem Druck der Saftindustrie.“