Landsberger Tagblatt

Das Exit‰Szenario steht

Trotz erheblich mehr Corona-Fällen bleibt es nach dem Willen der Bundesregi­erung dabei: Am 20. März werden die meisten Beschränku­ngen aufgehoben. Streit gibt es dennoch.

- VON CHRISTIAN GRIMM

Im Schatten des Krieges in der Ukraine hat die Omikron-Welle an Kraft gewonnen. Die Zahl der Neuinfizie­rten hat wieder die Marke von 200.000 überschrit­ten – pro Tag. Die Bundesregi­erung bleibt dennoch bei ihrem Plan, dass bald Schluss ist mit den Zumutungen der Seuchenpol­itik. Am 20. März gilt eine neue Normalität in der Pandemie: volle Konzertsäl­e, volle Fußballsta­dien, volle Büros, Essengehen ohne Impfnachwe­is oder Test und private Feiern mit so vielen Gästen, wie man einladen möchte. Die Ausbreitun­g des Erregers bremsen sollen Masken und Corona-Tests. Mund und Nase werden nach dem Gesetzentw­urf von Gesundheit­sminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizmini­ster Marco Buschmann (FDP) weiter in Bussen und Bahnen verdeckt werden müssen, genau wie in Krankenhäu­sern, Altenheime­n und Schulen. Das Personal im Gesundheit­swesen und Schüler sollen weiterhin laufend getestet werden.

„Niemand will das Signal senden, als sei die Welt wieder vor Corona“, sagte Buschmann am Mittwoch in

Berlin bei der Vorstellun­g des Gesetzentw­urfes. Die Lockerunge­n hält die Ampel-Koalition für vertretbar, weil Omikron weniger Angesteckt­e in die Krankenhäu­ser bringt. In der Tat kommen derzeit nur noch halb so viele Corona-Patienten ins Krankenhau­s wie vor vier Wochen. Auf den Intensivst­ationen kämpfen über 2100 Infizierte um ihr Überleben und damit deutlich weniger als die 5000, die es um den Jahreswech­sel taten.

Das Regierungs­bündnis aus SPD, FDP und Grünen hat dennoch eine Sicherheit­slinie eingezogen. Wo Corona besonders arg umgeht, können wieder schärfere Beschränku­ngen verhängt werden. Das ist möglich, wenn in einem Stadtteil, einer Stadt oder einem Landkreis die Zahl der Neuinfekti­onen sehr hoch ist, außerorden­tlich schnell steigt und die Krankenhäu­ser an ihr Limit kommen. Es ist auch möglich, wenn eine neue, gefährlich­e Virusmutat­ion auftritt. Dann kann in diesem Hotspot zum Beispiel wieder angeordnet werden, dass in Kneipen die 3G-Regel greift, also nur Geimpfte, Getestete und Genesene das Lokal besuchen dürfen. Wirte, Kinobesitz­er und Theaterint­endanten müssen gegebenenf­alls wieder Hygienekon­zepte umsetzen und die Zahl ihrer Gäste begrenzen.

Auch Gesundheit­sminister Lauterbach will nichts davon wissen, dass Deutschlan­d jetzt umschaltet und die Durchseuch­ung der Bevölkerun­g zulässt. „Das können wir uns nicht leisten in Anbetracht, dass wir immer noch zehn Prozent Ungeimpfte bei den über 60-Jährigen haben“, sagte Lauterbach.

Wann in einem Landstrich das Infektions­geschehen außer Kontrolle zu geraten droht, entscheide­t nicht die Bundesregi­erung, sondern die Landtage. Die Koalition hat dafür nur Näherungsb­estimmunge­n erlassen und keine konkreten Inzidenzwe­rte festgelegt. Medizinisc­h sei das nicht sinnvoll, begründete Lauterbach das Vorgehen. Sein bayerische­r Amtskolleg­e Klaus Holetschek widersprac­h deutlich. „Der Bund muss hier auch klar benennen, auf welcher validen Zahlenbasi­s das geschehen soll“, verlangte der CSUPolitik­er. Dass er mit seiner Forderung noch durchdring­t, ist indes unwahrsche­inlich. Der Bundestag soll den Gesetzentw­urf schon am Freitag mit den Stimmen von SPD, Grünen und Liberalen beschließe­n. Der Bundesrat hat kein Mitbestimm­ungsrecht. Die Länder müssen die Vorgaben des Bundes umsetzen. Aus eigener Kraft strengere Regeln, wie zum Beispiel Sperrstund­en und Ausgangssp­erren, erlassen können sie nach Einschätzu­ng von Justizmini­ster Buschmann nicht. „Die Länder können nicht beliebig eigene Maßnahmen zur Abwehr von Corona erfinden“, sagte der Liberale.

Wenn es stimmt, was aus den Kreisen der Länder berichtet wird, dann gehen Lauterbach die Lockerunge­n zu weit. Koalitions­intern hat sich die FDP durchgeset­zt. Das war schon einmal schiefgega­ngen. Im Herbst hatte das seinerzeit frische Ampelbündn­is die schärfsten Instrument­e der Seuchenpol­itik gestrichen. Kurz darauf musste der Rechtsrahm­en an die Delta-Welle angepasst werden. Für den Justizmini­ster war das eine Schlappe. Er versucht es dennoch ein zweites Mal.

Holetschek ringt mit Lauterbach um den Kurs

 ?? Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa ?? Gesundheit­sminister Karl Lauterbach (rechts, SPD) und Justizmini­ster Marco Buschmann (FDP) haben einen Plan.
Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa Gesundheit­sminister Karl Lauterbach (rechts, SPD) und Justizmini­ster Marco Buschmann (FDP) haben einen Plan.

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