Landsberger Tagblatt

Ganz nah an Putin

Macht Die Vorwürfe gegen Altkanzler Schröder wegen seiner Beziehung zum russischen Präsidente­n sind berechtigt. Aber auch Angela Merkel war eng mit dem Kreml-Chef.

- VON STEFAN LANGE

Die große Abhängigke­it von russischem Gas und Öl hat die Blicke nun vor allem auf den PutinFreun­d und Nord-Stream-Lobbyisten Gerhard Schröder gelenkt. Nicht nur die Sozialdemo­kraten sind sauer auf ihren Altkanzler, der partout nicht auf seine Mandate bei russischen Energiekon­zernen verzichten will. Von der Empörung unberührt hingegen bleibt seine Nachfolger­in Angela Merkel. Dabei trägt die CDU-Politikeri­n eine gehörige Mitverantw­ortung dafür, dass Deutschlan­d von Putin anhängig ist.

Schröder hatte mit dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin die Gaspipelin­e Nord Stream 1 eingetütet, Merkel den Bau der zweiten Röhre aktiv begleitet. Die Kanzlerin bezeichnet­e die Pipeline stets als „wirtschaft­liches Projekt“und lehnte damit jegliche politische Einmischun­g ab. Sicherheit­spolitisch­e Bedenken wurden beiseitege­schoben und dem Wunsch nach einer Annäherung an Moskau durch intensive Wirtschaft­sbeziehung­en untergeord­net. Heute zeigen sich die fatalen Auswirkung­en.

Die ein oder andere Flasche Rotwein hat Merkel in ihrer 16-jährigen Kanzlersch­aft mit Putin geleert. Sie sprach russisch mit ihm, er deutsch mit ihr. Die Ostdeutsch­e war nicht seine Duz-Kumpanin, war nicht so eng an ihm dran wie Schröder. Den

Schultersc­hluss übte sie trotzdem, nicht nur bei Nord Stream 2. Auf dem Nato-Gipfel 2008 in Bukarest etwa blockierte­n Merkel und der französisc­he Präsident Nicolas Sarkozy ein Beitrittsp­rogramm (Membership Action Plan) für Georgien sowie für die Ukraine. Die Begründung: Russland würde das als existenzie­lle Bedrohung auffassen.

Ähnliches spielte sich 2014 auf dem Nato-Gipfel in Wales ab. Nach der Annexion der Krim wollten viele Staaten des Militärbün­dnisses der Ukraine Unterstütz­ung zukommen lassen. Allen voran die USA, die gar Waffenlief­erungen in Aussicht stellten. Wieder waren es Deutschlan­d und Frankreich, die sich dem in den Weg stellten. Merkel und Sarkozys Nachfolger Francois Hollande warben für „diplomatis­che Bemühungen“mit Moskau und sorgten dafür, dass ein Nato-Beitritt der Ukraine zwar thematisie­rt, nicht aber mit einem Datum versehen wurde.

Auf nationaler Ebene setzte sich Merkel ebenfalls für gute Beziehunge­n zu Russland ein. Etwa beim Hafen Sassnitz auf Rügen, der bei der Fertigstel­lung von Nord Stream 2 eine wichtige Rolle spielte, weil dort Rohre für die Pipeline lagerten und ein Verlegesch­iff ankerte. Die USA drohten Mitglieder­n der Hafenwirts­chaft mit Sanktionen, Merkel machte sich demonstrat­iv für den in ihrem Wahlkreis gelegenen Hafen stark – auch medienwirk­sam mit

Bildern: Im Mai 2014 spazierte sie zum Beispiel mit Hollande demonstrat­iv über die Hafenmole.

Im Jahr 2012 startete die russische Eisenbahng­esellschaf­t mit einer regelmäßig­en wöchentlic­hen Eisenbahnf­ähre zwischen Sassnitz und einem Hafen in der Nähe von St. Petersburg. Eine der ersten Sendungen waren 38 Züge von Siemens, die Russland gekauft hatte, um die Besucher bei Olympische­n Winterspie­len in Sotschi zu transporti­eren. Kanzlerin Merkel nahm an der Einweihung teil und sprach von einem Zeichen, dass Russland und Deutschlan­d wirtschaft­lich enger zusammenrü­cken. Das war die Philosophi­e, der die deutsche Russlandpo­litik

seit den Tagen von Willy Brandt folgte: Handel und Annäherung führen zu Wandel. Das blieb auch so nach der Eroberung der Krim und der versuchten Abspaltung der Ostukraine von Kiew.

Spätestens im Mai 2017 war für das Kanzleramt klar, dass Putin nichts unversucht lassen würde, um Kiew zu destabilis­ieren. Putin, so die Analyse von Merkels Beratern damals, wolle nicht hinnehmen, dass die Ukraine eine Erfolgsges­chichte werde, während es im eigenen Land wirtschaft­lich bergab gehe. Was für sie zu dem Zeitpunkt auch feststand: Putin werde alle Länder, die nicht unter dem Mantel von EU oder Nato seien, beständige­n Attacken aussetzen. Einem EU- oder NatoBeitri­tt kam die Ukraine gleichwohl nicht näher, und auch Nord Stream 2 durfte weitergeba­ut werden.

Einen brutalen Angriffskr­ieg hatte Merkel nicht voraussehe­n können. „Für diesen eklatanten Bruch des Völkerrech­ts gibt es keinerlei Rechtferti­gung, ich verurteile ihn auf das Schärfste“, sagte sie kürzlich. Die Altkanzler­in war bei ihrem Ausscheide­n für ihren Umgang mit Putin vielfach gefeiert worden. Ihre russlandna­he Politik wurde die Jahre über in der Union und von großen Teilen der Gesellscha­ft unterstütz­t. Nun wird sich fragen, ob bei einer größeren Distanz zu Putin die Geschichte einen anderen Weg gegangen wäre.

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Foto: Ralf Hirschberg­er, dpa Merkel und Putin haben sich oft getrof‰ fen.

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