Gikiewicz will unbedingt zur EM
Der Torhüter spielt seit Wochen auf Top-Niveau, doch zur Nominierung für die polnische Nationalmannschaft reichte es noch nicht. Denn da gibt es ein Problem
Augsburg Als Rafal Gikiewicz das erste Mal im Mai 2019 für die polnische Nationalmannschaft nominiert wurde, weinte er Freudentränen. Verständlich. Nicht nur, dass er wenige Stunden vorher mit Union Berlin nach einem 2:2 (Hinspiel 0:0) auswärts gegen den VfB Stuttgart im zweiten Relegationsspiel den Bundesligaaufstieg feiern durfte. Nein, es flatterte auch die Nominierung von Nationaltrainer Jercy Brzeczek für die beiden EM-Qualifikationsspiele gegen Mazedonien und Israel ins Haus. Gikiewicz sagte damals: „Was ich gefühlt habe? Es gab Tränen. Und ich schäme mich nicht dafür. Als ich meiner Frau von der Einladung erzählte, hat sie auch vor Glück geweint.“Zum Einsatz kam er allerdings nicht. Es spielte Lukas Fabianski (West Ham United).
Zwei Jahre sind seitdem vergangenen. Polen ist für die EM qualifiziert, Brzeczek durch den Portugiesen Paulo Sousa ersetzt. Aber Gikiewicz wartet immer noch auf seinen ersten Länderspieleinsatz für sein Heimatland. Dabei trug er einen Löwenanteil dazu bei, dass Union Berlin nach dem Aufstieg in der Bundesliga blieb.
Und auch nach seinem Wechsel zum FC Augsburg würden die Augsburger Fans ihn, wenn sie in die WWK-Arena dürften, wohl nach jedem Spiel mit lauten Sprechchören feiern. Mit seinen zahlreichen Paraden ist er der Hauptgarant dafür, dass der FCA nach dem 25. Spieltag nicht mitten im Abstiegskampf steckt, sondern mit 29 Punkten acht Zähler Vorsprung auf den Relegationsplatz (Hertha BSC/21 Punkte) hat. Einen beeindruckenden Beweis seiner derzeitigen TopForm lieferte er beim 3:1 (0:0)Heimsieg gegen Borussia Mönchengladbach ab. Mit über einem halben Dutzend Paraden brachte er die Borussen über 90 Minuten zur Verzweiflung. Egal ob gegen Neuhaus, Thuram, Lazaro oder Plea – Gikiewicz parierte.
Im Jahr der EM gibt er alles, um auf sich aufmerksam zu machen. Der stolze Pole wünscht sich nichts sehnlicher als eine Nominierung für die kontinentalen Spiele im Sommer. „Mein Traum ist immer gleich: mit Fans in der Bundesliga spielen und mit der Nationalmannschaft bei der EM. Ich mache meinen Job, es ist mein Beruf, Bälle zu halten“, sagte Gikiewicz am Freitag. Längst hat er sich auch in der Mannschaftshierarchie nach oben gearbeitet. So soll er auch einer der Spieler gewesen sein, die in der Halbzeit des Gladbach-Spiels laut geworden sind. Nach der Partie gab er zu, dass es ein „paar harte Worte in der Kabine“unter den Spielern gab. Gikiewicz: „Die ersten paar Minuten ist der Trainer nicht in der Kabine, da reden wir einfach selbst, weil wir wissen, was wir falsch machen.“
Diese Kombination aus Führungsanspruch und Leistung begeister auch Sport-Geschäftsführer Stefan Reuter. Ihm ist mit der ablösefreien Verpflichtung ein Transfercoup gelungen. Reuter sagt: „Wir sind superglücklich, wie er sich hier einbringt und wie sensationell er uns heute im Spiel gehalten hat.“Das sei Grundvoraussetzung, um Ansprüche für eine Berufung stellen zu dürfen.
Aber Gikiewicz hat ein Problem. Die Konkurrenz ist groß. So nominierte Sousa für die kommenden Länderspiele Ende März die international erfahrenen Wojciech Szczesny (30/Juventus Turin) und Fabianski (35/West Ham) und als Nummer drei Lukasz Skorupski (29/FC Bologna). Alles ebenfalls Stammtorhüter. Und das nicht in irgendwelcher Ligen, sondern in der Serie A und in der Premier League. Zudem ist man sich in Polen nicht sicher, ob sich der selbstbewusste Gikiewicz mit einer Rolle als Ersatzmann über Wochen zufriedengeben würde. Gikiewicz würde aber dies akzeptieren, um seinen Traum zu leben: „Ich würde auch die Nummer drei oder vier gerne nehmen.“