Schauspielerin mit Herzblut statt Glamour
Für Victoria Mayer gehört der Rollenwechsel zum Beruf. Die Darstellerin erzählt aus ihrem Leben zwischen Filmdreh und Familie und darüber, was sie an ihrer Branche manchmal ärgert
Dießen „Schon ein Wimpernschlag kann beim Drehen manchmal zu viel sein.“Victoria Mayer weiß, wovon sie spricht, die 45-jährige Schauspielerin aus Dießen stand allein in den vergangenen fünf Jahren mehr als 15-Mal in tragenden Rollen vor der Kamera. Wir haben mit ihr über ihr Verständnis vom Schauspielerberuf gesprochen, über den Glamour-Faktor und wie sie Film und Familie unter einen Hut bringt.
Zuletzt war Victoria Mayer im Juni im „Tatort“an der Seite von Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec zu sehen. Schon mehrfach wirkte sie in der beliebten Krimiserie mit, spielte aber auch in diversen Serien und Fernsehfilmen, wie 2020 beispielsweise in der Tragikomödie „Auf die harte Tour“oder dem Drama „Play“aus dem Jahr 2019. Zu ihren bekanntesten Kinoerfolgen gehört der Film „Hin und weg“, bei dem sie mit Florian David Fitz und Jürgen Vogel arbeitete.
Die Vorstellung vom schillernden Leben einer erfolgreichen Schauspielerin, wie sie von den Medien gerne genährt wird, bedient Victoria Mayer jedoch nicht. Sie betrachtet ihren Beruf als Herausforderung, der sie mit Herzblut nachgeht, nicht als Ticket in eine glamourgeprägte Parallelwelt. Außerdem trägt sie einen Kurzhaarschnitt, was in der Branche einem Tabubruch nahekommt. So musste sie „eine Menge Widerstand spüren“, als sie sich vor einigen Jahren für diese Frisur entschied: „Schönheit definiert sich aus
Sehgewohnheiten, und an diesen wird man gemessen. Das geht natürlich jedem so, und auch im Schauspielerberuf lebt man in gewissen Zwängen, besonders als Frau. Wie du aussiehst, macht auch aus, wie du wahrgenommen wirst“, so Victoria Mayer. Dass „34/36 nicht die meistgetragene Konfektionsgröße ist“und „High Heels nicht selbstverständlich zum täglichen Outfit einer Frau gehören“, bleibt beim Blick auf Leinwand und Flimmerkiste oft verborgen. Diesen Mangel an Authentizität empfindet
Victoria Mayers falsch und wünscht sich häufiger eine „Diskussion um mehr Diversität. Denn ich finde es wichtig, die Unterschiedlichkeit abzubilden, und ich bin froh, dass sich da langsam etwas bewegt.“
Auch das Älterwerden gehört zu diesem Themenkreis: „Während der Schauspielschule hat man den Studentinnen gesagt, ‚macht eure Karriere so früh wie möglich, denn mit 40 ist es für die Frauen vorbei, dann gibt es keine Rollen mehr’. Und das macht etwas mit dir, wenn du von Anfang an angezählt wirst. Es kann ganz schön hart sein, vor der Kamera alt zu werden und sich dabei zusehen zu lassen.“
Ganz generell ist die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern in der Filmbranche für Victoria Mayer ein Ärgernis, „Männer bekommen immer noch mehr Sendezeit, mehr tragende Rollen, mehr
Gage, und auch wenn es um Familiäres geht, haben die Männer mehr Freiheit. Beim Dreh werde ich jedes Mal gefragt, wie ich das mache mit den Kindern, wer sie betreut, während ich arbeite. Mein Mann, der ja auch Schauspieler ist, wird das nie gefragt. Aber ich hoffe, dass sich diese Kluft in Zukunft ausgleicht.“
Aufgewachsen in Bremen und Marburg, arbeitete Victoria Mayer nach ihrem Abitur zunächst als Regieassistentin in Deutschland und Österreich, bevor sie von 1997 bis 2001 an der Bayerischen Theaterakademie studierte. „Meine größte Herausforderung zu Beginn“, erinnert sie sich, „war, körperliche Durchlässigkeit zu erreichen, damit sich das, was man denkt, im Körper widerspiegelt, man den eigenen Körper als Instrument nutzt. Anfangs hieß es oft, ‚was in deinem Gesicht passiert, ist klasse, aber …’.“
Direkt nach dem Studium feierte sie erste Bühnenerfolge am Schauspiel Frankfurt, dem Akademietheater und dem Metropoltheater in München. Von Anfang an fand Victoria Mayer Freude sowohl am Theater wie auch am Film, wenn auch die ersten Jahre die Arbeit auf der Bühne überwog. „Mehr Film zu machen, war auch eine familiäre Entscheidung, denn für längerfristige Engagements an Schauspielhäusern ist man teilweise monatelang weg. Bei Dreharbeiten bin ich im besten Fall abends wieder zu Hause.“
Dennoch reizen Mayer auch heute noch die unterschiedlichen Ausdrucksmöglichkeiten der Genres: „Wenn ich könnte, würde ich gerne beides machen. Durch eine Mischung beider Formen kann sich vieles gegenseitig befruchten und ergänzen.“Nach dem Unterschied befragt, sagt sie: „Beim Drehen ist es immer der Versuch, in einer sehr klar begrenzten Zeit möglichst präzise den reduzierten Rahmen mit kleinen Gesten zu füllen – und dabei innerlich auch noch loszulassen. Im Theater hat man in der Probenarbeit Muße, etwas zu entwickeln und auch die Chance, scheitern zu dürfen. Wenn auch die Vorführung dann natürlich innerhalb einer klaren Vorgabe abläuft. Das Theater hat diesen Live-Zauber und beim Spiel geht es um Vollkörpereinsatz, damit man auch den Zuschauer in der letzten Reihe erreicht.“
Aktuell schätzt sie die Filmbranche als widerstandsfähig ein, „mit dem Lockdown wird total viel gestreamt, die Menschen schauen fern und die Plattformen brauchen Content. Solange es keine Drehverbote gibt, wird 2021 sicher wieder ein sehr produktives Jahr werden“.
High Heels gehören nicht zum täglichen Outfit