Training per Video
Vereine und Verbände setzen auf Technik, um mit dem Nachwuchs in Kontakt zu bleiben. Das gelingt, ein großes Problem gibt es aber bei den Neueinsteigern
Augsburg Seit drei Monaten ruht der Ball bereits, seit Anfang November ist Mannschaftssport aufgrund der Corona-Kontaktbeschränkungen nahezu nicht möglich. Lediglich der erweiterte Profibereich ist ausgenommen. „Und ein Ende ist nicht absehbar“, blickt Alexander Käs wenig zuversichtlich in die nahe Zukunft. Dabei brennt Käs vor Tatendrang. Bis Oktober war der 28-Jährige noch Trainer beim Fußball-Regionalligisten TSV Rain/Lech und konzentriert sich mittlerweile voll auf seinen vergangenen Sommer angetretenen Job als DFB-Stützpunktkoordinator für die Talentförderung in Westbayern. Sein Einsatzgebiet erstreckt sich dabei vom mittelfränkischen Ansbach im Norden bis Oberstdorf im Süden.
Das größte Problem ist für Käs, dass aktuell auf dem Platz oder in der Halle gar nichts geht. Punktspiele sind ohnehin bis auf Weiteres ausgesetzt, Mannschaftstraining auf unbestimmte Zeit nicht erlaubt. Weder bei den Erwachsenen noch bei Kindern oder Jugendlichen. Selbst im Falle einer Lockerung der aktuell strikten Maßnahmen ab Mitte Februar ist noch lange nicht gesagt, dass wieder gemeinsames Training stattfindet. „Das haben wir ja nach dem ersten Lockdown gesehen“, verweist Klaus Wünsch, Sportlicher Leiter beim FC Stätzling, auf die Erfahrungen aus dem Spätsommer. Da ließ die Politik zunächst nur Kleingruppentraining ohne Körperkontakt zu, ehe nach und nach weitere Lockerungen bis zu einer sechswöchigen Freigabe des Spielbetriebs erfolgten.
Ende Oktober sind nun wieder alle Sportanlagen geschlossen. „Ich sehe da schon eine Gefahr, dass da bei einigen die Lust verloren geht“, erklärt Toni Pisanu, Jugendleiter bei der SpVgg Kaufbeuren, die als Stützpunktverein in das DFB-Ausbildungssystem integriert ist. Wobei die Gefahr weniger darin besteht, dass der Nachwuchs zu anderen Sportarten abwandert, dort gelten ohnehin die gleichen Beschränkungen. Vielmehr befürchtet Pisanu, dass die Jugendlichen gänzlich mit dem Sport aufhören. „Deshalb haben wir Mitte Januar damit begonnen, regelmäßige Videokonferenzen abzuhalten. Dabei geht es gar nicht so sehr darum, Trainingsangebote zu unterbreiten. Vielmehr wollen wir den Spielern zeigen, dass sie dem Verein wichtig sind, dass wir an ihnen interessiert sind. Und ich will auch die Eltern ins Boot holen, damit die ihre Kinder anspornen, sich zu bewegen.“
Ähnlich läuft es beim FC Stätzling, wie Klaus Wünsch berichtet. „Wir haben eine große Jugendabteilung, sind bei der Spielklassenzugehörigkeit im Großraum Augsburg die Nummer zwei hinter dem FCA und versuchen natürlich, dass wir unsere Talente bei Laune halten. Natürlich immer unter Einhaltung aller Bestimmungen“, so Wünsch, der als Corona-Beauftragter seines Vereins einen besonderes Augenmerk darauf richtet. Die Jugendtrainer sind per Video in ständigem
Austausch mit ihren Schützlingen, erarbeiten Übungsprogramme und vergeben „Hausaufgaben“. „Wobei unsere Spieler schon eine hohe Eigenmotivation mitbringen“, erklärt Wünsch, „was sicher daran liegt, dass wir in so hohen Ligen spielen“. Da ist die Gefahr, dass Jugendliche dem Sport komplett den Rücken kehren, eher gering. „Die sehe ich sogar eher bei Funktionären vorhanden, die in den vergangenen Monaten die Lust verloren haben.“
Während sich die Zahl der Jugendlichen, die mit dem Fußballsport aufhören, im üblichen Rahmen bewegt, sehen Wünsch und Pisanu ein Riesenproblem bei den Neueinsteigern. „Wir müssten jetzt in den Kindergärten und Schulen um die Kleinen werben“, weiß Pisanu.
Rund 20 Prozent weniger Kinder als im Jahr zuvor hatten nach Auskunft des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV) während des ersten Lockdowns 2020 mit dem Ballsport begonnen. Im Spätsommer machte sich dann ein starker „Nachholeffekt“bemerkbar, sodass sich das Minus letztlich in Grenzen hielt. „Welche Auswirkungen der erneute Lockdown hatte, können wir aktuell noch nicht sagen“, sagt BFV-Pressesprecher Fabian Frühwirth. Für Pisanu ist deshalb klar, „dass es eine enorme Herausforderung an uns alle wird, nach dem Lockdown gerade die kleinen Kinder für den Fußball zu begeistern“. Sonst drohen über mehrere JahrSeit gänge viele Spieler dem Sport verloren zu gehen.
Wie aktuelle Nachwuchskicker bei der Stange gehalten werden, darüber machen sich auch die Verbandstrainer Gedanken. Da mit Ausnahme der Profi-Nachwuchsleistungszentren keine Juniorenteams gemeinsam trainieren dürfen, stellt der DFB bereits seit Beginn des zweiten Lockdowns immer montags Video-Anleitungen ins Netz. „Die waren nur kurzfristig gedacht und heißen deshalb November-Einheiten, mittlerweile ist das eine Dauereinrichtung für unsere Stützpunktspieler geworden. Die finden live statt, sind danach unter DFB-TV zu finden und stehen grundsätzlich allen Spielern zur Verfügung“, verrät Stützpunktkoordinator Käs. Zusätzlich gibt es für die bayerischen Stützpunkte noch weitere freiwillige Online-Einheiten. „Natürlich wollen wir Übungen zur Verbesserung der Ballbehandlung oder Finten an die Hand geben, aber auch Abwechslung bieten. Neulich hatten wir mal eine YogaStunde. Das wird sehr gut angenommen und zeigt: Unsere Spieler sind heiß darauf, dass es endlich wieder losgeht. Durch das VideoTraining sind sie für die Rückkehr auf den Platz auf jeden Fall gerüstet.“Nicht nur Käs, Pisanu und Wünsch hoffen darauf, dass dies Anfang April passieren könnte.
● BLSVMitgliederstatistik Der Bayerische Landes-Sportverband vermeldet für 2020 bei der Mitgliederzahl seiner Klubs ein Minus von zwei Prozent. Präsident Jörg Ammon begründet dies damit, dass es aufgrund des fehlenden Sportangebots keine Neuanmeldungen gebe.