„Vergesst die Hubschrauber nicht!“
Der Appell des Deutschland-Chefs von Airbus Helicopters an die Politik, Aufträge vorzuziehen, war zwar erfolgreich. Wolfgang Schoder geht es aber nicht schnell genug. Es stehen Jobs in Donauwörth auf dem Spiel
Donauwörth/Berlin Das war ein dramatischer Appell Mitte Mai dieses Jahres. Wolfgang Schoder, Deutschland-Chef von Airbus Helicopters, forderte die politisch Verantwortlichen in München und Berlin über unsere Redaktion auf: „Vergesst die Hubschrauber nicht!“Er sprach so den dringenden Wunsch aus, geplante staatliche Aufträge etwa für Polizei- oder militärische Hubschrauber zur Sicherung von Jobs früher als geplant zu vergeben. Dabei steht gerade am größten deutschen Standort des Helikopter-Unternehmens im nordschwäbischen Donauwörth viel auf dem Spiel. In dem Werk der AirbusFirma sind rund 6500 Frauen und Männer beschäftigt, darunter etwa 600 Leiharbeiter. Dort werden zivile (H135, H145) wie militärische Hubschrauber (Tiger, NH90) gefertigt. Der Betrieb hat in den vergangenen zehn Jahren einen enormen Zuwachs an Mitarbeitern verzeichnet, schließlich waren 2010 erst gut 4100 Menschen für den damals noch Eurocopter heißenden AirbusStützpunkt tätig.
Im Vergleich zu anderen Luftfahrt-Standorten behauptet sich Donauwörth noch gut, auch wenn dort zuletzt gut 90 Stellen für Leiharbeiter weggefallen sind. Doch in Augsburg stehen beim Airbus-Zulieferer Premium Aerotec bis zu 1007 von rund 3500 Jobs auf dem Spiel. Die gute Substanz von Airbus Helicopters spiegelt sich in den Geschäftszahlen für die ersten neun Monate 2020 wider: Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stieg bei leichten Umsatzeinbußen auf 3,6 Milliarden Euro der Gewinn vor und Zinsen (Ebit) sogar um 16 Prozent auf 238 Millionen Euro. Dennoch sieht Schoder keinen Anlass, seinen Hilfsappell an die Politik abzumildern: „Wir profitieren jetzt noch von Aufträgen aus der VorCorona-Zeit. Nun brauchen wir aber rasch Signale für neue Bestellungen, um auch in den kommenden beiden Jahren Standorte wie Donauwörth auszulasten und die Zahl der Beschäftigten halten zu können.“
Dabei hat sein Appell „Vergesst mir die Hubschrauber nicht“zumindest teilweise gefruchtet: „Die politisch Verantwortlichen in München und Berlin sind bereit, Aufträge an uns vorzuziehen.“Hier zeige das Engagement regionaler Bundestagsabgeordneter wie Ulrich Lange und Reinhard Brandl (beide CSU) sowie des Landtagsabgeordneten Wolfgang Fackler (CSU) Wirkung. Doch Schoder sagt auch: „Zählbares
für uns dabei noch nicht herausgekommen. Ich mache mir deshalb Sorgen.“
Dass Politiker auf Landes- wie Bundesebene bereit sind, zum Beispiel Airbus Helicopters früher als geplant Aufträge für Polizeihubschrauber zu erteilen, ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere besteht in der Umsetzung solcher Beschlüsse. Und die zieht sich nicht nur aus Sicht von Schoder oft quälend lange hin, während Politiker in den beiden anderen Airbus-Ländern Spanien und Frankreich der Luftfahrtindustrie schneller in Form zählbarerer Aufträge zur Seite springen. Branchenkenner wissen: In Deutschland halten sich die Verantwortlichen strikter als in anderen Ländern an europäische Vergabe-Richtlinien. Es müssen also, wie das rechtlich vorgesehen ist, auch Airbus-Konkurrenten ausreiSteuern chend Zeit haben, Angebote zum Beispiel für Polizeihubschrauber vorlegen zu können. Dem Handelsblatt liegen Informationen vor, nachdem es in Deutschland auch in Corona-Zeiten eine eklatante Diskrepanz zwischen vorgezogenen staatlichen Investitionen und dem Abruf der Gelder durch Bundesministerien gibt.
So seien von den drei Milliarden Euro, die Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) allein für 2020 bereitgestellt hat, bis Ende September lediglich 28 Millionen Euro abgeflossen, vor allem an die Bundeswehr für neue Pistolenmunition. Die FDP kritisierte bereits, das Konjunkturprogramm sei keine Inist vestitionsbazooka, sondern ein Rohrkrepierer. Der in Deutschland traditionell zähe Abfluss staatlicher Gelder wird immer wieder auch mit personellen Engpässen in der Verwaltung erklärt. Um diese Zusammenhänge weiß Airbus-Mann Schoder natürlich, er fordert aber: „In Deutschland wäre etwas mehr Spielraum bei der Vergabe drin.“
Doch nicht immer sind die Hürden für raschere Orders nur nationaler Natur. Wenn es um ein Upgrade des Kampfhubschraubers Tiger, also die technologisch anspruchsvolle Ausstattung der Helikopter mit neuen Funktionen geht, muss darüber erst Einigung auf europäischer Ebene, also gerade zwischen Partnernationen wie Deutschland, Frankreich und Spanien erzielt werden. Dabei wären weitere Tiger-Aufträge für Donauwörth besonders interessant und könnten hunderte Jobs sichern.
Also sieht Schoder Airbus Helicopters in einem Dilemma gefangen: „Die Krise ist jetzt da und es muss schnell gehen, doch staatliche Aufträge ziehen sich zu sehr in die Länge.“Der Deutschland-Chef des Unternehmens kämpft derzeit derart intensiv um Aufträge für die nächsten drei Jahre, „weil die Krise zu uns erst 2021 und 2022 kommt“. Noch habe das Unternehmen zwar ein gutes Auftragspolster, das gestreckt werde, um nicht in eine Delle zu rutschen. Wenn sich aber – und das räumt Schoder ein – die Erteilung staatlicher Bestellungen zu lange hinzieht, kann auch er in Donauwörth einen deutlicheren Arbeitsplatzabbau nicht verhindern. Damit würde nach Augsburg ein zweiter großer süddeutscher LuftfahrtStandort voll von der Krise erfasst.
Geld steht bereit, aber es fließt nicht ab