Betrifft: „Wir sind hier, wir sind laut…“
Neulich, das hätte durchaus ein schlechter Traum gewesen sein können – bloß: Wer träumt denn so was? Am helllichten Samstagnachmittag also in einer Fußgängerzone, reichlich Konsumentenrummel, da nimmt ein älterer Herr mittendrin einen letzten Zug aus seiner wohl Einkaufsstress abbauenden Zigarette, wirft sie dann in Richtung eines Gullys zu Boden. Trifft aber nicht in die Öffnungen, scherrt mit den Füßen der Kippe nach. Woraufhin ihn eine junge Frau, die beim Shopping mit der Mama offenbar gerade vorbeiläuft, anblafft: „Ist das ein Mülleimer?“Der blickt irritiert auf und fragt zurück: „Wie bitte?“Woraufhin die engagierte Passantin wiederum verdeutlichend nachlegt: „Das ist kein Mülleimer!“Und auf die peinlich berührten, flüsternden Beschwichtigungsversuche der Mutter posaunt sie umso überzeugter: „Kann ja sein – aber hat ja nicht mal getroffen! Und hat der überhaupt eine Ahnung, wie viele Liter Grundwasser der mit seiner Kippe vergiftet?!“Und Abgang in den nächsten Laden. Der ältere Herr verharrt, blickt ihnen hinterher, verwundert, ungläubig den Kopf schüttelnd…
Deutschland, 2019, kein Sommermärchen. Und auf den Straßen wechseln sich die Protestzüge ab, die exakt die gleiche Parole an ihrer zentralen Stelle mit dem jeweils passenden Zweisilber füllen: „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die … klaut!“„Zukunft“passt rein und „Heimat“, „Freiheit“und „Kohle“, „Bildung“und mit einer gleichen Artikelverschiebung auch „den Wohnraum“. Es hat das Ganze auch schon mit „die Ruhe“(contra Landebahn-Bau), „das Ganja“(pro Cannabis-Legalisierung) und „die Kinder“(contra Jugendamt) gegeben. Und vielleicht gerade weil die eine „Zukunft“schreit, schreit der andere bald „Heimat“. Und dabei läuft hier doch nun wirklich gar nichts auf Grund.