Sonst bleiben die Felder kahl
Phosphor ist lebenswichtig für Pflanzen. Doch der Rohstoff für Dünger wird knapp. Jetzt soll er aus Klärschlamm zurückgewonnen werden. Mit dabei ist eine Memminger Firma
Memmingen Stellen Sie sich vor, es ist ein Frühlingsmorgen und Sie blicken in Ihren Garten. Dort steht der Apfelbaum, kahl vom Winter. Und noch immer leblos. Dabei ist es bereits Anfang Mai. Und Sie machen sich auf den Weg zur Arbeit – im T-Shirt, zum ersten Mal in diesem Jahr. Vorbei an dem Rapsfeld, dessen Duft eigentlich den Sommer ankündigt. Doch an diesem Tag wächst kein Raps. Die einzige Farbe, die Sie auf Ihrem Radweg ins Büro wahrnehmen, ist der blaue Schriftzug, der über dem Eingang Ihrer Firma ragt. Und nun stellen Sie sich vor, Ihr Arbeitsweg bleibt so grau. Für den Rest Ihres Lebens.
Zugegeben, die einleitende Dystopie wirkt vielleicht übertrieben. Doch sie macht deutlich, wie wichtig Phosphor ist. Der Stoff bedeutet Leben. Kein Mensch, keine Pflanze und keine Zelle würde ohne Phosphor funktionieren. Und geht der Rohstoff zur Neige, um das Weltuntergangsszenario vollends auszureizen, würde wohl die größte Nahrungsmittelkrise der Welt ausbrechen.
Und nun müssen Sie wissen, ohne Phosphor gäbe es die Nahrungsmittelindustrie, wie wir sie kennen, nicht. Der Rohstoff wird als Dünger auf die Felder geschüttet und sorgt für das Wachstum von Nutzpflanzen, etwa Raps oder Mais. Doch Phosphor ist endlich, wie Kohle, wie Erdöl. Auf der Erde kommt er lediglich in gebundener Form in Phosphaten vor. Auf dem Inselstaat Nauru im Pazifik, der wirtschaftlich ausschließlich auf den Abbau von Phosphat angewiesen ist, sind die Ressourcen nahezu erschöpft.
Deutschland importiert Phosphor beispielsweise aus China oder Marokko – meist als Dünger. Dabei verfügen wir hierzulande über riesige Phosphorquellen, nicht als natürliche Ressource, aber zuhauf im Klärschlamm. Im Jahr 2017 fielen in Bayern 257401 Tonnen Klärschlamm an, das entspricht etwa 9500 Lkw-Ladungen. Das geht aus einer Statistik der Hausmüll-Bilanz des Bayerischen Landesamts für Umwelt hervor.
Vor Jahren kauften Landwirte den Klärschlamm von den Kläranlagen auf und schütteten ihn für das Wachstum der Pflanzen auf die Felder. Heutzutage ist das in Verruf geraten. „Wegen der im Klärschlamm enthaltenen Schwermetalle und dem spielt der Klärschlamm in der Landwirtschaft fast keine Rolle mehr“, sagt Stefan Meitinger, Referent für Agrarpolitik und Parlamentsarbeit beim Bayerischen Bauernverband.
Der Großteil des Klärschlamms, nahezu 70 Prozent, wird einfach in Müllheizkraftwerken oder Kohlekraftwerken verbrannt. Das zeigen die Statistiken des Landesamts. Das Pikante daran: Die resultierende Asche enthält den lebenswichtigen Phosphor. Noch tüftelt Deutschland an einer Lösung, wie die verlorene Ressource zurückgewonnen werden könnte.
Deshalb reagierte die Bundesregierung im Jahr 2017 auf das Phosphor-Problem und setzte eine neue Klärschlammverordnung durch. Die auch eine Chance in Form von Fördergeldern für die Abfallwirtschaft birgt. Ab dem Jahr 2029 müssen größere Kläranlagen den Klärschlamm in sogenannten Mono-Verbrennungsanlagen verwerten. So kann theoretisch aus der zurückbleibenden Asche der Phosphor wiedergewonnen werden. Von diesem Gesetz ist auch Augsburg betroffen.
Bislang werde der Augsburger Klärschlamm, etwa 30000 Tonnen jährlich, in der AbfallverwertungsMikroplastik anlage in Mannheim mitverbrannt, sagt Gunther Höhnberg, Leiter des Augsburger Tiefbauamts. Eine klare Strategie, wie der Phosphor recycelt werden soll, gibt es aber bislang weder in Augsburg noch in Bayern.
Das Bayerische Landesamt für Umwelt verwies auf ein Pilotprojekt im Klärwerk in Weißenburg im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen. Eine weitere Reinigungsstufe eliminiert dort seit zwei Jahren einen Großteil der Medikamentenrückstände und andere für die Umwelt schädliche Stoffe aus dem Abwasser. Phosphorverbindungen werden ebenfalls in großem Maße abgetrennt. Derzeit handelt es sich in Weißenburg um ein kleines Projekt, das für die Zukunft eine große Wirkung erzielen kann.
Ortswechsel. Hamburg. Auf einer Landzunge östlich der A7, südlich der Elbe gegenüber dem Hamburger Bezirk Altona könnte das Phosphor-Problem gelöst werden. Die Baufirma Beck aus Memmingen plant dort die Tragwerke und baut eine Halle für eine Phosphor-Recyclinganlage.