Seehofer und das Bierzelt
Aufgefallen
Dass ein Bayer im Bierzelt über die Stränge schlägt und tags darauf – ernüchtert – Reue empfindet, soll ja schon mal vorgekommen sein. Dass aber ein CSU-Chef, zu dessen Kernkompetenzen die deutliche Aussprache in biergeschwängerter Geselligkeit gehört, hinterher öffentlich Reue zeigt – das ist neu.
Nun ist Horst Seehofer nicht mehr CSU-Chef und somit auch nicht länger den Zwängen des harten Amtes unterworfen. Und möglicherweise waren ihm verbale Dreschflegeleien immer schon zuwider. Sein Bekenntnis überrascht dennoch. So schlimm war das doch auch wieder nicht, damals beim Politischen Aschermittwoch, als er vor seinen Anhängern über den damaligen FDP-Chef spottete: „Habt keine Angst, das ist kein Tsunami, das ist nur eine Westerwelle.“Da war Edmund Stoiber einige Jahre zuvor schon eine Spur schärfer unterwegs, als er gegen die frühere Grünen-Chefin Claudia Roth giftete: „Die hat doch nicht alle Nadeln an der grünen Tanne.“
Da stellen sich Fragen: Ist die CSU zahnlos geworden? Oder haben sich nur die Zeiten geändert? Hinweise dafür gibt es. CSU-Chef Markus Söder hat beim Aschermittwoch eine Redeweise praktiziert, die sein großes Vorbild Franz Josef Strauß vermutlich an ein politisches Hauptseminar an einer katholischen Universität erinnert hätte. Erstaunlich war in diesem Fall: Söders Rede kam an. Das politische Rabaukentum ist offenbar nicht mehr en vogue. Darauf deutet auch der Kommentar von CSUGeneralsekretär Markus Blume zu Seehofers Bekenntnis hin. Blume verteidigt zwar die Tradition. Aber er formuliert elegant: „Das Bierzelt wird auch in Zukunft zum Kernarsenal unserer Kommunikationskultur gehören.“