Daten, Daten, Daten
Medien Wie lässt sich mit Journalismus im Netz Geld verdienen? Das Newscamp in Augsburg sendet eine klare Botschaft an die Medienmacher
Augsburg Wer wissen will, wo die Reise hingeht im Mediengeschäft, der blickt in der Regel in die USA oder nach Skandinavien. Oder inzwischen auch in die Schweiz. Und in der Regel passiert das aus deutscher Sicht mit gemischten Gefühlen. Zum einen ist immer etwas Staunen dabei. Die Gedanken: Verdammt, sind die weit. Schaffen wir das auch? Zum anderen motivieren solche Blicke. Denn sie zeigen: Auch im Digitalen kann man mit Journalismus Geld verdienen.
Als eine Top-Veranstaltung für solche Einblicke hat sich im deutschsprachigen Raum das Newscamp etabliert, das am Mittwoch und Donnerstag in Augsburg stattfand. Und wie immer transportierte die Veranstaltung eine klare Botschaft für die rund 450 Teilnehmer aus der Verlags- und Medienbranche: Wer mit Journalismus im Netz Erfolg haben will, der braucht Technik – und der braucht Daten.
Das Paradebeispiel lieferte die skandinavische Schibsted Media Group, in der Titel wie Aftenposten in Norwegen sowie Aftonbladet und Svenska Dagbladet in Schweden erscheinen. Das Unternehmen unterzog sich seit 2011 unter dem Druck wegfallender Erlöse bei seinen Tageszeitungen einem radikalen Wandel. Heute hat der Medienkonzern knapp 800000 digitale Abonnenten und erwirtschaftet damit rund 70 Prozent seiner Digitalumsätze im Vertrieb.
Schibsted steht damit für einen Prozess, der derzeit Top-Thema in vielen deutschen Verlagen ist: weg von einer Ausrichtung auf anonyme Reichweite und Werbevermarktung, hin zu mehr loyalen Nutzern und Erlösen durch digitale Abonnements. Die Erfolgsformel der Skandinavier: Moderne Medienhäuser müssten beides sein, Verlage und Technologie-Unternehmen, so Schibsted-Managerin Kjersti Thornéus. Freier Journalismus sei heute wichtiger denn je. Für Unabhängigkeit sei aber ein nachhaltiges Geschäftsmodell nötig. Und im Journalismus funktioniere das künftig nur, wenn die Nutzer im Netz dafür bezahlen.
Ihr Ratschlag an die deutschen Medienmacher: „Begeistert euch für Technik und liebt Journalismus.“Datenanalysten und Entwickler gehören bei Schibsted inzwischen selbstverständlich zum Newsroom wie Redakteure und Journalisten. Bei seinen Nachrichtenseiten setzt der Konzern inzwischen auf Unterstützung durch künstliche Intelligenz.
Ganz ohne Kritik an der Technologisierung blieb die Veranstaltung freilich nicht. Denn dass Algorithmen die Welt nicht zwingend besser machen, erlebt man Tag für Tag an einer anderen Stelle, in den sozialen Medien. Und wie sich Hass, Drohungen und Beschimpfungen dort anfühlen, das weiß Richard Gutjahr nur zu gut. Auch beim Newscamp formulierte der Journalist seinen kritischen Blick auf das Netz und die sozialen Medien offen. „Vor zehn Jahren dachten wir, das Internet ist die große Befreiung, die große Demokratie-Maschine. Heute wissen wir, dass das Pendel auch in die andere Richtung schlagen kann.“
Einer von vier Tweets sei von einem Bot verfasst, aus 30 Fotos könnten Hacker inzwischen einen Avatar von jedem beliebigen Menschen erstellen und im Netz verbreiten. Und das komplett an den einstigen Torwächtern, den Massenmedien, vorbei. „Die Zeit, in der – frei nach Gerhard Schröder – Bild, Bams und Glotze zum Regieren reichen, ist vorbei“, so Gutjahr. Heute benötigt man dazu lediglich einen Twitter-Account, wie Donald Trump Tag für Tag eindrucksvoll beweise.
Die Folge dieser direkten Kommunikation, die Parteien und Politiker auch hierzulande mit großem Aufwand betreiben: Bei den Menschen habe eine Meinungsbildung oft schon stattgefunden, lange bevor Medien die Fakten dazu recherchieren konnten. „Machen Sie sich nichts vor: Wir befinden uns in einem Krieg um die Deutungshoheit“, warnte Gutjahr.
Die großen Digitalkonzerne in den USA spielten in diesem Prozess der Verunsicherung der Gesellschaft eine tragende, traurige Rolle. „Facebook, Twitter und Youtube belohnen Hass.“Trotzdem warnte Gutjahr davor, diesen Plattformen den Rücken zu kehren. Sein Rat an die Medienmacher: „Überlassen Sie den digitalen Raum nicht den Idioten.“Und: Schaffen Sie Orte der direkten Begegnung; Foren, in denen Sie sich direkt mit ihren Lesern austauschen.
Zu den Rednern zählte unter anderem der Zürcher Medienmacher Bernhard Brechbühl, der das Schweizer Social-Magazin Izzy vorstellte, Julia Bönisch, Chefredakteurin von SZ.de sowie Wulf Schmiese, Redaktionsleiter des „heute journal“beim ZDF. Der ehemalige Chefredakteur des Handelsblatts, Gabor Steingart, musste seinen Besuch kurzfristig absagen.
Das Newscamp findet 2019 bereits im siebten Jahr in Augsburg statt und ist eine der führenden Digitalkonferenzen in Deutschland. Über 60 Experten aus den USA und Europa sprachen an zwei Tagen im Kongress am Park über Digitalisierung, Medienwandel sowie Trends und Neuerungen in der Branche. Veranstalter ist die Newsfactory, ein Tochterunternehmen der Mediengruppe Pressedruck.