Bayern droht der Wohnungsnotstand
Die Immobilienpreise sind 2018 massiv weitergestiegen. Das wird vor allem für künftige Ruheständler zum Problem
Augsburg Die meisten Immobilienkäufer dürften vor einigen Jahren die heutigen Preise kaum für möglich gehalten haben. Im Textilviertel in Augsburg entstehen derzeit Eigentumswohnungen. Vierzimmerwohnungen mit knapp über 100 Quadratmetern werden für rund 600 000 Euro angeboten. Neue Doppelhaushälften am Stadtrand fallen in die gleiche Preislage. Die Preise für Immobilien sind in den vergangenen Monaten weiterhin rasant gestiegen. Im Bundesschnitt kosteten Eigentumswohnungen im Herbst 2018 ganze 8,2 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Dies hat das Gewos-Institut für Stadt-, Regionalund Wohnforschung in Hamburg ermittelt. Wie berichtet ziehen auch die Mieten in Deutschland an.
Basierend auf Daten des Portals Immobilienscout24 haben die Experten von Gewos 30 Jahre alte Wohnungen mit mittlerer Ausstattung in mittlerer Wohnlage betrachtet. Besonders stark, so das Ergebnis, stiegen die Preise in den sieben größten Städten Deutschlands an – um im Schnitt elf Prozent. Eine entsprechende Wohnung kostet derzeit in Stuttgart 4200 Euro pro Quadratmeter, in München seien es 6400 pro Quadratmeter, berichtet Gewos- Mitarbeiter Sebastian Wunsch. „Für Neubauten in München liegt man bereits deutlich über 7000 Euro“, sagt er. Eine hundert Quadratmeter große Neubauwohnung käme also auf über 700000 Euro. Zahlen zu weiteren Städten wie Augsburg will Gewos im Februar vorlegen. Eines zeichnet sich aber ab: Die Preisexplosion könnte vor allem für künftige Ruheständler zu einem Problem werden.
Ab dem Jahr 2035 drohe in Deutschland eine „graue Wohnungsnot“, davor warnen Fachleute des Pestel-Instituts in Hannover, das in der Forschung und Beratung tätig ist: „Deutschland steht ein massives Alters-Wohnproblem bevor“, sagt Institutsleiter Matthias Günther. Er befürchtet einen enormen Mangel an bezahlbaren Mietwohnungen, die sich die Rentner von morgen noch leisten können. „Das betrifft Bayern – und vor allem ganz massiv auch München“, sagt Günther, dessen Institut für den Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel die Studie „Wohnen der Altersgruppe 65plus“erstellt hat. Die Arbeit soll demnächst vorgestellt werden. Auch für den Großraum Augsburg sieht Günther die Gefahr, dass Wohnungen für Rentenbezieher zu teuer werden: „Der Großraum Augsburg hat in den letzten Jahren an Attraktivität zugelegt, neue Arbeitsplätze locken Leute an“, erklärt Günther im Gespräch mit unserer Zeitung. Und mit der hohen Nachfrage steigen die Preise für das Wohnen.
„Wer kein Wohneigentum hat, der kann sich seine Heimat vielerorts bald nicht mehr leisten“, meint Günther. Für Arbeitnehmer seien Mieten wie in München noch zu bezahlen, für viele Rentner nicht mehr. Im schlimmsten Fall müssten sie fortziehen. Einer früheren Studie des Instituts zufolge kann ein Ehepaar, beide 55 Jahre alt, drei Kinder, von dem ein Partner 2800 Euro brutto verdient und der andere in einem Minijob 450 Euro netto, im Ruhestand mit einer Rente von lediglich 1310 Euro rechnen. Krankenund Pflegeversicherung sind dann schon abgezogen. Müssen jetzt hohe Mietkosten bezahlt werden, bleibt nicht mehr viel zum Leben.
Welche Lösungen kommen infrage? Zum einen fordert Günther die Schaffung von bundesweit knapp drei Millionen altersgerechten Wohnungen bis 2030 – allein 470 000 in Bayern. Zweitens fordert er, Bauherren mehr Sicherheit bei der Finanzierung zu geben: „Das Risiko, dass sich die Zinsen heute ändern, ist extrem, wenn man heute seine Finanzierung zu einem Zinssatz von 1,5 Prozent auf zehn Jahre abschließt“, sagt er. Besser wäre es, mit festen Zinsen auf 20 oder 25 Jahre planen zu können.
Bei der Landesbausparkasse LBS nimmt man an, dass sich der Trend allenfalls abschwächt: Die ungebrochen hohe Nachfrage bei einem knapp bleibenden Angebot könnte vielerorts zu einem weiteren Anstieg der Kaufpreise führen, sagte LBSExperte Paul Fraunholz vergangenes Jahr. „Wir gehen jedoch davon aus, dass diese Preissteigerungen insgesamt moderater ausfallen, da viele Haushalte inzwischen an die Grenzen ihrer finanziellen Belastbarkeit kommen.“Es wird einfach zu teuer.