„Wir sind Dienstleister am Menschen“
Warum der Bezirk Schwaben so wichtig ist, wurde beim Abschied des Präsidenten Jürgen Reichert deutlich
Augsburg Was macht der Bezirk eigentlich? Nicht wenige Menschen würden sich wohl schwertun bei einer Antwort. Die Frage, ob wir ihn dann überhaupt brauchen, schließt sich oft an. Der nun verabschiedete Bezirkstagspräsident Jürgen Reichert kennt diese Berechtigungskämpfe gut. Doch anders als vor 15 Jahren, bei seinem Antritt, steht der Bezirk Schwaben heute unangefochten als unverzichtbarer Partner vor allem im sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Aufgabenfeld da. Auch kann der Bezirk heute – anders als damals – auf eine gute finanzielle Basis verweisen. Zu verdanken ist dies vor allem auch Reichert, dessen herausragendes Engagement im Kurhaus in Augsburg mit knapp 300 Gästen aus Politik und Gesellschaft gewürdigt wurde.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann weiß um die leidigen Berechtigungskämpfe der Bezirke. Um so wichtiger ist es seiner Einschätzung nach, dass so ein hoch engagierter und motivierter Präsident wie Reichert vor Ort Überzeugungsarbeit leistet. Schöne Worte helfen da aber nichts. Taten sind entscheidend. Und hier kann Reichert nach Einschätzung des Csupolitikers eine „beachtliche Erfolgsbilanz“vorweisen: So wurden in seiner Amtszeit die Bezirkskliniken kontinuierlich ausgebaut und die sozialpsychiatrische Betreuung insgesamt erweitert. Vorbildliches habe Reichert auch in der Kultur- und Heimatpflege geleistet.
Für Reichert war der Ausbau der Versorgung für Menschen in Notlagen stets eine Herzenssache. Der 1951 in Hessen geborene gelernte Industriekaufmann und Betriebswirt, der heute mit seiner Familie in Bobingen bei Augsburg lebt, arbeitete über Jahre in der Jugendarbeit. Wer seinen langjährigen Wegbegleiter hört, den früheren Bundesminister Eduard Oswald, erfährt viel über den Menschen Reichert. Über seine tiefe Liebe zu Schwaben, was sein Engagement für die Museen etwa in Oberschönenfeld, Maihingen und Illerbeuren erklärt. Über sein klares Weltbild, das auf christlichen Werten fußt. Über sein Gespür für die Sorgen der Menschen, was seinen Einsatz für Behinderte, psychisch Kranke und pflegebedürftige Men- schen verständlich macht. „Jürgen hat sich selbst nie in den Mittelpunkt gedrängt“, betont Oswald, „er ist ein Teamplayer.“Dass er als Betriebswirt auch die Finanzen stets im Blick hatte, habe ihn als Präsidenten prädestiniert.
Reichert selbst ist berührt von dem vielen Dank von Vertretern aller kommunalen Ebenen, aber auch der Kirchen. Gleichzeitig macht er in seiner Rede deutlich, in welchem Bereich sich der Bezirk künftig vor allem engagieren muss: in der Pflege. Aber auch Menschen, die eine schwere Lebensbiografie haben, gelte es weiter im Blick zu haben. Das sei der Auftrag des Bezirks. „Wir sind Dienstleister am Menschen“, bringt es Reichert auf den Punkt. Allerdings könne auch zu viel des Guten getan werden. Daher dürfe man die Menschen nicht ganz aus ihrer Verantwortung entlassen. Rechtsansprüche seien zwar gut, nicht alles könne man Menschen aber abnehmen. Die Qualität der Angebote mache den Bezirk stark.
Reichert ist nicht bange um die Zukunft des Bezirks, im Gegenteil. So seien beispielsweise auch die europäischen Partnerschaften, die der Bezirk pflegt, mit Blick auf die politischen Probleme als Verständigungsmöglichkeiten gerade für die Jugend wichtiger denn je. Reicherts Nachfolger, Landrat Martin Sailer, beobachtet mit großer Sorge den Verlust der Empathie in unserer Gesellschaft. Der Bezirk ist seiner Ansicht nach aufgerufen, gegen diesen Verlust das Wort zu ergreifen. Und zwar laut. So werden alle den Bezirk hören.