Das Gewichtheben hat es schwer
Das klassische Gewichtheben hat schwer an Ansehen verloren. Ein alter Sport, für den unsere Vorfahren erste Grundlagen schufen, indem sie schwere Felsbrocken in die Höhe stemmten, um sie auf Mammuts zu schleudern. Heute pilgern zwar rachitische Banklehrlinge zu Millionen in Fitness-Studios, um an die alte Tradition anzuknüpfen – mit klassischem Gewichtheben aber hat deren Treiben nichts zu tun.
Man trifft ja auch keinen mehr, der noch von Wassili Alexejew schwärmt, dem ehemals stärksten Mann der Welt, oder vom kürzlich verstorbenen Rudolf Mang, dem Bär von Bellenberg, oder der über die 1,55 Meter kleine Julia Schwarzbach staunt, die mit 108 Kilogramm mehr als ihr doppeltes Körpergewicht in die Höhe bringt. Der Einzige, der es in der öffentlichen Wahrnehmung über die Ränder seiner Sportart geschafft hat, ist Matthias Steiner. Vielleicht, weil er Österreicher ist, denen die Menschen abseits von Skipisten im Sport nur wenig zutrauen, wahrscheinlicher aber, weil ihm das Leben privat hart mitgespielt hat.
Trotzdem hat sich kein Teenager sein Poster in die Bude gehängt, oder wenigstens seinen Hamster Matthias tauft. Stattdessen läuft der Nachwuchs in den sozialen Kanälen Ronaldo und Messi hinterher. Recht hat er. Es ist immer noch schöner, im Kreise gleichgesinnter Vertragsmillionäre an der frischen Luft einen Ball über gepflegtes Grün zu kicken, als in muffigen Folterräumen einsam qualvoll ächzend Schwermetalle zu bewegen. Wer hier eine Anabolikaresistenz hat, wird es nicht weit bringen. Auch ein Grund, warum Eltern ihren Sprösslingen das Gewichtheben zum Ausgleich von Klavier- und Geigespiel nicht wirklich empfehlen sollten.
Überhaupt ist der Gebrauch von Dopingmitteln in keiner Sportart so verbreitet wie im Gewichtheben. Hier haut jeder jeden übers Ohr. Das hat dazu geführt, dass zuletzt neun Gewichtheber-Nationen von internationalen Wettkampf-Bühnen verbannt waren. Das macht es schwer, noch WM-Gastgeber zu finden. Für das aktuell laufende Treffen der stärksten Männer und Frauen der Welt hat der Weltverband Turkmenistans Hauptstadt Aschgabat auserkoren.
Hier will sich das Gewichtheben neu erfinden. Es hat Gewichtsklassen neu definiert und andere gestrichen. Damit sind auch die dopingverseuchten Weltrekordlisten getilgt. Ob das verlorenes Ansehen zurückbringt oder sich das Gewichtheben als ernst zu nehmender Sport endgültig abschafft? Eltern sollten ihren Kindern erst einmal noch zu Klavier und Fußball raten.