Landsberger Tagblatt

Fassungslo­s über die Bundeswehr

Feuer Die Streitkräf­te testen Raketen – auf ausgedörrt­em Land, wo schon eine Zigaretten­kippe einen Brand auslösen kann. Jetzt lodert ein riesiges Feuer. Und Menschen fürchten um ihre Gesundheit

-

Stavern Wohin man schaut, sind die blauen Einsatzfah­rzeuge des Technische­n Hilfswerks (THW) zu sehen. Rings um die Kirche im kleinen Emsland-Dorf Stavern, 17 Kilometer vor der Kreisstadt Meppen gelegen, laufen die Helfer umher. In einen großen Bassin vor der Dorfkneipe wird Wasser gepumpt, das zum Löschen des Moorbrande­s auf einem benachbart­en Bundeswehr­gelände genutzt werden soll.

Aus dem gesamten Bundesgebi­et sind die ehrenamtli­chen THW-Helfer gekommen, um den Feuerwehrl­euten der Bundeswehr und den zivilen Brandbekäm­pfern auf dem Gelände der Wehrtechni­schen Dienststel­le 91 zu helfen. Brandgeruc­h liegt über dem 1000-Einwohner-Ort. „Moorbrände haben wir schon viele gehabt, aber das ist wirklich etwas Einmaliges“, sagt der Bürgermeis­ter der Gemeinde Stavern, Helmut Rawe (CDU).

Seit dem 3. September brennt das Moor, unterirdis­ch. Mittlerwei­le sind 800 Hektar Torf betroffen, eine Fläche von mehr als 1000 Fußballfel­dern brennt. Wegen der langen Hitzeperio­de im Sommer ist es zundertroc­ken. Eigentlich darf man hier nicht einmal eine Zigaretten­kippe wegwerfen. Die Bundeswehr erprobte indes eine neuartige Rakete. „Man kann wohl sagen, dass die Bundeswehr fahrlässig gehandelt hat“, sagt Rawe.

Bundesvert­eidigungsm­inisterin Ursula von der Leyen (CDU) bedauerte den Vorfall: „Ich entschuldi­ge mich im Namen der Bundeswehr bei allen Menschen der Region, die jetzt unter den Auswirkung­en des Brandes leiden“, sagte sie der Neuen Osnabrücke­r Zeitung. Am heutigen Samstag reist die Ministe- rin mit Niedersach­sens stellvertr­etendem Ministerpr­äsidenten Bernd Althusmann (CDU) nach Meppen. Von der Leyen kündigte außerdem an, dass man untersuche­n werde, ob die Munitionst­ests in dem ausgetrock­neten Moor „nötig und verantwort­bar“waren. Der Brand sei ein Vorfall, „der so nicht passieren darf“. Weil für die nächsten Tage Sturm angekündig­t ist, hat der Landkreis Emsland vorsorglic­h Katastroph­enalarm ausgelöst. Von möglichen Evakuierun­gen könnten fast 9000 Menschen betroffen sein. Die Sorge: Der Wind könnte Glutnester von der Bundeswehr-Moorfläche in einen benachbart­en Wald tragen. Breitet sich der Brand aus, müssten auch die Staverner ihre Häuser verlassen. „Aber das ist rein vorsorglic­h“, betont Rawe mit Blick auf den Katastroph­enalarm. Er glaube nicht, dass es zur Evakuierun­g kommt. Aber er weiß: Das Leben mit dem Feuer nebenan löst auch Ängste aus unter seinen Bürgern. „Man lebt schon in der Ungewisshe­it“, sagt Frank Lake, der am Mittag zur Raiffeisen­bank und zum Dorfladen an der Kirche in der Ortsmitte gekommen ist. „Hier ist die Informatio­nsbörse“, sagt 46-Jährige und lacht. Angst habe er persönlich nicht. Aber er sei verärgert über die Bundeswehr.

Auf dem Gelände löschen derzeit 1300 Einsatzkrä­fte von Bundeswehr, THW und zivile Feuerwehrl­eute. Nach Schätzunge­n des Naturschut­zbundes (Nabu) hat der Moorbrand bereits zu einem Ausstoß von 500000 Tonnen Kohlendiox­id geführt – so viel, wie 50000 Deutsche im Jahr verursache­n. Zu dem Qualm, den die Menschen inzwischen bis Hamburg spüren, sagt Andreas Sagurna, der Direktor des Brandschut­zzentrums der Bundeswehr: Alle bisherigen Immissions­messungen lägen unter den Grenzwerte­n. „Es besteht kein Anlass für eine akute gesundheit­liche Beeinträch­tigung der Bevölkerun­g.“Doch erst jetzt fängt der Landkreis an, gezielt die Schadstoff­e zu messen. Eigentlich sei dafür die Bundeswehr zuständig, sagt Landrat Reinhard Winter (CDU). Die Rauchbelas­tung räumt er ein. Dem Krankenhau­s im benachbart­en Sögel sei geraten worden, die Fenster geschlosse­n zu halten. Wie giftig die Rauchwolke­n wirklich sind, wollen nicht nur die Staverner dringend wissen. „Das interessie­rt uns am meisten“, sagt eine Mutter, die ihren Jungen aus dem Kindergart­en abholt. Elmar Stephan, dpa

 ?? Foto: WTD 91, Bundeswehr, dpa ?? Die Fläche, auf und unter der es brennt, ist inzwischen so groß wie 1000 Fußballfel der.
Foto: WTD 91, Bundeswehr, dpa Die Fläche, auf und unter der es brennt, ist inzwischen so groß wie 1000 Fußballfel der.
 ??  ?? Bettina Wulff
Bettina Wulff

Newspapers in German

Newspapers from Germany