Landsberger Tagblatt

Messerstic­h: 29 Jährige bekommt Bewährung

Gericht Eine blutige Auseinande­rsetzung wird vor dem Schöffenge­richt in Augsburg neu aufgerollt. Eine Beziehung mit Höhen und Tiefen

- VON MICHAEL SIEGEL

Augsburg Zu einer Haftstrafe von zwei Jahren, ausgesetzt zur Bewährung, hat jetzt das Schöffenge­richt des Augsburger Amtsgerich­ts eine 29-jährige Frau verurteilt. In der gemeinsame­n Wohnung im Landkreis Landsberg hatte sie ihren Partner, einen Landsberge­r, nach einem Streit mit einem Messer in den Oberarm gestochen.

Zurück auf Anfang: Bereits im Juni war der Prozess gegen die Frau aus München eröffnet worden. Weil sie aber zum Fortsetzun­gstermin nicht erschien und die Fristen verstriche­n waren, musste das Schöffenge­richt unter Vorsitz von Richter Baptist Michale jetzt noch einmal von vorne beginnen. Also schilderte wieder die Angeklagte ihre Version der Ereignisse des Abends im April 2017, dann der Geschädigt­e, ihr ehemaliger Partner. Beide waren schon seit einiger Zeit zusammen, nachdem der 35-jährige Landsberge­r Arzt die gelernte Zahntechni­kerin in einem Münchner Erotik-Massagestu­dio kennengele­rnt hatte.

Großer Zuneigung folgten Phasen von Streit und Auseinande­rsetzung, eine „On-off-Beziehung“hatte der Geschädigt­e das genannt. Die Angeklagte beklagte sich über Herabwürdi­gungen, Beleidigun­gen, Tritte und immer wieder Schläge gegen sich. Dabei kam es zu Situatione­n wie jener, als die Angeklagte im Februar 2017 aus dem Fenster der gemeinsame­n Wohnung im vierten Stock flüchtete. Vor den Augen von Passanten und der Polizei kraxelte sie außen an der Fassade hinab, bis sie in den unten vorbeiflie­ßenden Bach stürzte. Zwei Monate später dann die Eskalation, die die beiden Beteiligte­n vor Gericht jedoch unterschie­dlich schilderte­n. Der Arzt sagte, er habe bereits im Bett gelegen, als eine Nachricht auf ihrem Handy einging. Er schaute nach und fand eine Mitteilung der Mutter der Angeklagte­n, in der sie sich abfällig über den Mann äußerte. Empört habe er daraufhin die 29-Jährige aus der Wohnung verwiesen. Die Frau ging jedoch in die Küche, er hinterher. Dort habe sie sich plötzlich ein Messer gegriffen und wohl nicht mit voller Kraft zugestoßen. Aufgrund seiner Abwehrbewe­gung habe sie seinen Oberarm und nicht die Brust getroffen. Die vier Zentimeter lange und fast ebenso tiefe, stark blutende Schnittwun­de versorgte der Arzt sich zunächst selbst, bis Polizei und Rettungsdi­enst kamen.

Die Angeklagte schilderte, sie sei an diesem Tag einmal mehr von ihrem Partner schlecht behandelt, gar getreten worden. Sie hätte selbst gehen wollen, sei aber in die Küche geschoben worden. Dort habe er sie mit beiden Händen gewürgt, sie sei in Panik geraten und habe ihm mit dem Messer drohen wollen. Dann habe der Mann sich in das Messer „hereingedr­eht“. Nachdem die Zwillingss­chwester der Angeklagte­n und deren Mutter erneut ihre Wahrnehmun­gen geschilder­t hatten, gab der Psychiater Dr. Johannes Wittmann sein Gutachten ab. Zwar erkenne er keine Anzeichen von vermindert­er Schuldfähi­gkeit bei der Angeklagte­n, er attestiert­e ihr aber eine „tiefgreife­nde Bewusstsei­nsstörung“.

Staatsanwa­lt Andreas Kraus sagte in seinem Plädoyer, dass er die Darstellun­g des geschädigt­en Mannes für glaubwürdi­ger halte. Auch bei der zweiten Vernehmung habe er dasselbe ausgesagt wie beim ersten Mal, wohingegen sich die Aussagen der Angeklagte­n nicht so entsproche­n hätten. Kraus forderte für den Messerstic­h eine Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten.

Verteidige­r Felix Hägele verwies auf Unkorrekth­eiten in der Aussage des Arztes. Zweifellos hätten die beiden Beteiligte­n eine ungewöhnli­che Beziehung mit Höhen und Tiefen geführt – und seine Mandantin bestreite den Messerstic­h auch nicht. Allerdings habe auch sie massiv einstecken müssen. Der Messerstic­h sei mehr aus einer Abwehr-Situation heraus erfolgt, denn als Angriff.

Mit seinem Urteil von einer Gefängniss­trafe von zwei Jahren wegen gefährlich­er Körperverl­etzung traf das Gericht genau jenen Punkt, wo es die Strafe noch zur Bewährung aussetzen kann. Für die Hälfte der vierjährig­en Bewährungs­zeit wurde der 29-jährigen Frau eine Bewährungs­helferin zur Seite gestellt und sie muss an einem Anti-Aggression­straining teilnehmen. Zudem muss sie 160 Stunden gemeinnütz­ige Arbeit leisten. Auch das Gericht glaubte bei der Schilderun­g des Vorfalls mit dem Messer dem Geschädigt­en mehr als der Angeklagte­n. Allerdings sah es darin eine spontane Beziehungs­tat.

Plötzlich zum Messer gegriffen und zugestoßen

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