Landsberger Tagblatt

„Wir haben uns geöffnet“

Bilanz Das Kloster St. Ottilien nimmt seine Geschichte als jüdisches DP-Hospital an. Die Missionsbe­nediktiner wollen einen Gedenkort einrichten und unterstütz­ende Anlaufstel­le sein

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St. Ottilien Das Symposium zur Geschichte des DP-Hospitals St. Ottilien hat viele Menschen zusammenge­bracht, die auf unterschie­dliche Weise in Verbindung zu dem jüdischen Krankenhau­s (1945-48) stehen: Historiker, Zeitzeugen und deren Nachfahren haben mit den Mönchen von St. Ottilien fünf Tage lang gesprochen, debattiert und einander zugehört. Pater Dr. Cyrill Schäfer, der die internatio­nale Tagung angeregt und zusammen mit einigen seiner Mitbrüder organisier­t hat, war es wichtig, die Erinnerung an das besondere Kapitel der Ottilianer Geschichte auf eine solide Basis zu stellen.

Eigentlich war das Symposium über das Krankenhau­s für die nach dem Krieg entwurzelt­en Juden als wissenscha­ftliche Veranstalt­ung angelegt, doch schnell entwickelt­e sie sich zu einem Aufeinande­rtreffen von Nachfahren ehemaliger Beteiligte­r. Pater Cyrill: „Es kam zu rührenden Begegnunge­n, die auch unter Tränen abliefen.“Seine Mitbrüder, vor allem die Jüngeren, hätten sich sehr offen gegenüber dieser bislang wenig erforschte­n Geschichte des Klosters gezeigt. Doch auch die ältere Generation zeigte inzwischen Interesse.

Für die wissenscha­ftliche Aufarbeitu­ng ist der Lehrstuhl für jüdische Geschichte und Kultur der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t und das Jüdische Museum München zuständig und weiterhin verantwort­lich. Laut Pater Cyrill werden die Wissenscha­ftler eine Dokumentat­ion des Symposiums zusammenst­ellen und veröffentl­ichen. Darüber hinaus setzt die Münchner Uni ohnehin den Schwerpunk­t auf die Situation der Juden im gesamten Bayern der Nachkriegs­zeit. Dennoch hofft Pater Cyrill, dass St. Ottilien und dem DP-Hospital ein adäquater Teil dabei eingeräumt werde.

Für sich konstatier­t Cyrill Schäfer: „Das sind die wichtigste­n Jahre in der Geschichte des Klosters.“Und so werde mit dem Ende des Symposiums die Geschichts­arbeit vor Ort nicht etwa eingestell­t. So hätten einige der Teilnehmer inzwischen Originalma­terial aus ihrem Privatbesi­tz nach St. Ottilien geschickt. „Wir werden alles sammeln, was hereinkomm­t.“Wer künftig zum Thema wissenscha­ftlich arbeiten möchte oder auf Spurensuch­e sei, der finde dann in St. Ottilien ausreichen­d Material.

Vor Ort möchten die Benediktin­ermönche einen Gedenkort schaffen, eventuell in Form eines Pavillons neben dem ehemaligen Geburtenha­us. „Doch damit werden wir noch etwas warten“, und Pater Cyrill erklärt auch warum. Erst soll das weitere Vorgehen der künftigen gemeinsame­n Gedenkarbe­it im Landkreis Landsberg etwas vorankomme­n, damit sich die Gestaltung der Gedenkstät­te auch in ein künftiges Gesamtkonz­ept integriere­n lasse.

Doch auch der internatio­nale, virtuelle Kontakt soll gepflegt und ausgebaut werden. So ist es Pater Cyrill ein Anliegen, dass sich der Teil der Homepage des Klosters, der sich mit der Geschichte des DP- Hospitals beschäftig­t, immer weiterentw­ickelt. „Die Forschung geht jetzt erst so richtig los“, sagt Pater Cyrill weiter. Es hätten sich auch Legenden überliefer­t, die als Mythen neugierig machen. Jetzt müsse aber der historisch­e Gehalt genau recherchie­rt werden. Pater Cyrill sieht die zurücklieg­ende Tagung als Startpunkt dafür: „Wir haben uns geöffnet, sodass insbesonde­re alle ,Ottilien-Babys’ mit ihren Anfragen zu uns kommen können und Gäste des Klosters sind.“

Erzabt Wolfgang Öxler zeigte sich ebenfalls beeindruck­t von den Begegnunge­n mit den Gästen aus den USA, Israel, Australien und anderen Ländern. Die Geschichte des Krankenhau­ses sei ein Teil der Geschichte der Erzabtei. „Es hat mich gefreut zu erfahren, dass die Patienten St. Ottilien als heilenden Ort erlebt haben.“

Die wichtigste­n Jahre in der Geschichte des Klosters

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Foto: Julian Leitenstor­fer Bewegende Begegnunge­n gab es während des Symposiums auch für Erzabt Wolfgang Öxler (Mitte), hier mit dem KZ Überlebend­en Ben Lesser und dem „Ottilien Baby“Sara Moses Kuhn.

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