Landsberger Tagblatt

Welchem Weg soll man folgen?

Theater Das „bewegtbild­theater“zeigt das Ein-Personen-Stück „Susanna – Ich bin ein Kontinent“. Ein Leben ohne Zukunft

- VON ROMI LÖBHARD

Landsberg Ja, wem soll sie nun folgen: ihrem vor Temperamen­t übersprude­lnden, fantasievo­llen und auch träumerisc­hen Ich oder ihrem Alter Ego, der gestrengen Erzieherin, der Bedenkentr­ägerin, der nüchtern-sachlichen Hüterin von Normen und Vorschrift­en?

Mit „Susanna – Ich bin ein Kontinent“, dem Theaterstü­ck nach der Erzählung „Susanna“mit autobiogra­fischen Zügen der in Auschwitz ermordeten Jüdin Gertrud Kolmar, gastierte das „bewegtbild­theater“ im Landsberge­r Stadttheat­er und zeichnete hier das verstörend­e Bild einer jungen Frau auf die Bühne. Das Stück hatte nur wenige Zuschauer in den Theatersaa­l gelockt, diese sahen eine Darsteller­in, deren Ähnlichkei­t mit Gertrud Kolmar frappieren­d war.

Martina Roth war in einer Doppelroll­e zu sehen – als strenge, in Grau gekleidete Erzieherin auf der großen Leinwand am Bühnenhint­ergrund (sprechend) und davor als real agierendes, in aggressive­s Rot gekleidete­s junges Mädchen. Sehr real. Doch auch in dieser Person mit wildem Haarschopf steckte viel Zerrissenh­eit. Mal kauerte Martina Roth nachdenkli­ch, fast depressiv auf einem Stuhl, mal jagte sie mit fliegendem Haarschopf eine Leiter hinauf und hinunter. Die Texte, die Gedanken dieses Mädchens Susanna waren sprunghaft, surreal, zuweilen fantastisc­h, in einer Traumwelt angesiedel­t. Martina Roth lebte diese Rolle mit Inbrunst.

Als Susanna spricht die Schauspiel­erin in Gleichniss­en, beschreibt Fantasien, singt und das ganz hervorrage­nd. Von Johannes Conen an der Gitarre begleitet, erzählt sie in einfachen Melodien ihre Geschichte, ihre Träume, ihre Wünsche. Dafür hatte Conen Lyrik der jüdischen Schriftste­llerin vertont und dieser mit der Musik noch mehr Ausdruck verliehen.

Interessan­t auch der Vergleich Mädchen-Erzieherin: Die Rollen schienen vertauscht. Nicht die Gouvernant­e

Mal depressiv, mal in der Traumwelt

Ein Weg in eine Zukunft ohne Zukunft

war es, die Susanna erzog. Vielmehr nahm das Mädchen seine Aufpasseri­n mehr und mehr mit in seine Traumwelt voller Zeichen und unwirklich­er Begebenhei­ten. Letztendli­ch ist sie machtlos, muss Susanna ziehen und ihren gewollten Weg gehen lassen – in eine Zukunft ohne Zukunft. Ein Schluss, der, bei aller Qualität der Aufführung, auch die Zuschauer bedrückt zurückließ.

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Foto: Julian Leitenstor­fer Martina Roth (Gesang, Schauspiel) als reale Person in Rot – und ihre Erzieherin auf der Leinwand, die Bedenkentr­ägerin, die sie aber ziehen lassen muss.

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