Wie es mit der Documenta weitergehen soll
Krise Die Kasseler Großausstellung hat ein Millionendefizit. Und sucht eine neue Führung
Kassel Ausgerechnet in einer ihrer größten Krisen benötigt die Documenta in Kassel eine neue Leitung: Ein Geschäftsführer und ein künstlerischer Leiter werden gesucht. Der Kunstwissenschaftler und langjährige Documenta-Beobachter Harald Kimpel bezeichnet die Situation als schwierig, sagt aber: „Die Schwierigkeit wird es nicht sein, eine Person zu finden, sondern es wird die Schwierigkeit der Person sein, mit der gegenwärtigen Lage umzugehen.“5,4 Millionen Euro Defizit hat die 14. Auflage der weltweit bedeutendsten Ausstellung für zeitgenössische Kunst voraussichtlich erwirtschaftet. Genau weiß man das auch drei Monate nach Ausstellungsende nicht. Die Gesellschafter, die Stadt Kassel und das Land Hessen, hüllen sich in Schweigen. Es steht nur die knappe Erklärung im Raum, dass das Defizit am zweiten Documenta-Standort Athen entstanden sei.
Für 2018 soll eine Kommission aus Kunstfachleuten einen neuen künstlerischen Leiter vorschlagen. Und eine neue Geschäftsführung muss her, weil sich die bisherige Geschäftsführerin Annette Kulenkampff Ende Mai vorzeitig zurückzieht. „Diese Situation ist diesmal besonders prekär, weil die Documenta nicht nur in einer organisatorischen Krise, sondern auch in einer Sinnkrise steckt“, sagt Kimpel. Eine künstlerische Leitung müsse schleunigst gefunden werden, die das Aus- ufernde der Documenta 14 mit zwei Standorten einfange, „ohne dass es nach Retro aussieht.“Gesucht werde jemand, der die optimale Qualität des Ausstellungsmachens mitbringe und für mehrere Jahre abkömmlich sei. Ein Engagement als Documenta-Leiter ist zeitlich begrenzt.
Volker Schäfer vom Verein Documenta Forum sagt, bei den Gesellschaftern sei eine Stimmung ent- standen, wonach die nächste Documenta sich eher an geografischen Vorbedingungen als an der künstlerischen Freiheit ausrichten müsse. Zu wünschen sei, so Schäfer, dass nach der Kür einer künstlerischen Leitung die derzeitigen Gesellschafter „und hoffentlich auch als Dritter der Bund sich über die – auch finanzielle – Realisierbarkeit verständigen.“
Für einen Neuanfang der Kunstausstellung spricht sich der frühere Documenta-Geschäftsführer Roman Soukup aus. Er schlägt vor, die gemeinnützige GmbH in eine Stiftung umzuwandeln. Die Ausstellung könnte dann mit den Ausschüttungen des Stiftungskapitals finanziert werden. „Es ist vielleicht die einzige Chance, die Documenta in einer verkleinerten Form und Größe für die kommenden Generationen zu erhalten und von den Begehrlichkeiten des Marktes, der Politik und der Wirtschaft unter einem Documenta-Kurator, der von den Künstlern geliebt wird, unabhängig zu machen.“Göran Gehlen, dpa