Singen macht das Leben schön
Am Samstag gehörte Landsberg den Laienmusikern. Und diese zeigten auf vielen Plätzen in der Stadt, dass Musik Menschen verbindet und glücklich machen kann
Die dritte Strophe noch etwas schneller, damit man die Freude, das heißt „Joy“, in diesem überarbeiteten Spiritual heraushört: Matthias Utz leitet zur Eröffnung der Europa-Tage der Musik nicht nur das Vocalensemble Landsberg, sondern einen viel größeren Chor: Jeder, der sich vor der Bühne auf dem Landsberger Hauptplatz befindet, kann seine Stimme erheben. Liedtexte und Noten sind ausgegeben und dass das gemeinsame Singen funktioniert, zeigte zuvor schon ein Kanon. Freilich ist es vielen ein Leichtes einzustimmen: Nicht nur die Europa-Tage der Musik, ausgerichtet vom Bayerischen Musikrat, werden von Freitag bis Sonntag gefeiert, auch das Chorfestival des Bayerischen Sängerbundes und der Tag der Laienmusik des Landesverbandes Singen und Musizieren in Bayern findet auch in diesem Rahmen statt – da sind viele versierte Sänger in der Stadt.
„Was verbindet mehr als Musik“– eine rhetorische Frage, die Mathias Neuner da stellt. Der Oberbürgermeister thematisiert genauso wie Landstagsabgeordneter Dr. Thomas Goppel, der bei der Eröffnung als Präsident des Bayerischen Musikrates spricht, den politischen Gedanken des Miteinanders in Europa. Einstimmig, aber mit vielen Nuancen, so soll für Goppel Europa erklingen. „Europa ist zu Gast bei uns, und überall singt und klingt es“, sagt OB Neuner. Kein Wunder, die Stadt gehört am Samstag der Musik, über 1000 Sänger sind in der Stadt und singen an acht Plätzen und in Studiokonzerten und lassen vom afroamerikanischen Spiritual über afrikanischen Gesang, Soul, Mundartlied und bairischen Pop bis hin zur klassischen Ballade ein breites Spektrum an Chorgesang erklingen.
Auch wenn deutsches Liedgut dominiert, bewahrheitet sich in der musikalischen Vielfalt, die erlebbar wird, das Verbindende der Musik. Optisch deutlich wird dies auch bei einem der sogenannten WalkingActs, der Tanzgruppe Siófok. Die Kleidung, die Musik und die Tanz- schritte der ungarischen Trachtengruppe wirken zuerst fremd, doch bald schon erkennt man Parallelen: Die Choreografie hat bei den Männern Elemente, die ans Platteln erinnern, und auch der Dreher der Mädchen ist mit dabei. Auch der Juchzer, der kurze melodiöse Schrei kommt vor – und viel Energie und Lebensfreude.
Die Freude am Singen, vor allem am gemeinsamen Singen, nimmt man auch den Protagonisten der Standkonzerte ab. Eine Viertelstunde dauert ein Auftritt pro Ort, mal ist er akustisch verstärkt durch einen Ziehharmonikaspieler wie beim Landsberger Landfrauenchor, oder auch unterstützt von Musik vom Band. Auch im Publikum strahlt so mancher, wippt oder singt mit, vor bei rhythmischen Popstücken oder Gospel-Klassikern wie „John The Revelator“, den Soul II Soul unter der Leitung von Charles Logan zum Besten gibt. Auch die Sänger von LiChörchen haben einen Gospelsong, der vom Leid des Sklaven erzählt, im Repertoire. Auf den Gospel folgt ein Zulu-Lied, ein Liebessong von Hubert von Goisern und ein Werk aus eigener Feder: der Stoßseufzer des Landsbergers über die Rushhour in der Stadt.
„Macht Singen glücklich?“– eine rhetorische Frage in diesem Umfeld. „Auf jeden Fall“, sagt Barbara Müller aus Landsberg, die in zwei Chören singt, die heute aber nicht auftreten. Sie liebt das Harmonische beim gemeinsamen Singen. Auch Silvia Wodtke stimmt der Frage nach dem Glücksgefühl sofort zu. Sie singt im Gospelchor „the sweet 60s“und hat noch etwas Zeit bis zum eigenen Auftritt beim Studiokonzert am späten Nachmittag. „Ja, das Singen verschönt unser Leben“– für den Landfrauenchor nicht nur ein Liedtitel, sondern Programm, wie die Leiterin Martha Verweinen beim Auftritt im Pfarrhof erzählt.
Doch nicht nur die zumeist selbst in der Sangeskunst versierten Zuhörer haben Spaß an diesem musikalischen Tag: Gudrun Mayinger ist extra aus München gekommen und Karin Fluhr aus Augsburg. Sie genießen das lebhafte Treiben in der Stadt, die jedoch nicht überfüllt wirkt, wie die beiden Großstädterinnen betonen. Also auch Zuhören macht glücklich. Roswitha und Peallem ter Happach aus Kaufering sind zufällig in die Lechstadt geradelt und genießen nun die Musik. Selber im Chor singen? Beide winken ab, man sei nicht so musikalisch.
Jeder könne im Chor mitsingen, sagt dagegen der Präsident des Bayerischen Sängerbundes, Karl Weindler, dem die Freude über das gelungene Festival anzumerken ist. Rundherum zufrieden ist auch der Leiter des Referates Laienmusik beim Bayerischen Musikrat, Andreas Horber. Und wie um den Beweis zu liefern, wie viel Potenzial zum Glücklichmachen in Musik stecken kann, springen drei trällernde Mädchen am Festivalbüro vorbei: Landsberger Gymnasiastinnen, die als Hostessen für das Festival fungieren.