Wenn kein Bett frei ist
Einen Kurzzeit-Pflegeplatz im Landkreis zu bekommen, ist ein großes Problem. Die Patienten müssen oft weit weggebracht werden. Ab 2018 könnte sich die Lage entspannen
Kniescheibe kaputt oder Tumor-OP? Meist denkt man als Patient nur daran, dass die Operation gut verläuft und man schnell wieder nach Hause darf. Aber was ist, wenn man entlassen wird, obwohl man noch nicht fit ist und der RehaPlatz auf sich warten lässt. Hier braucht man einen Kurzzeitpflegeplatz. Und den brauchen immer mehr Menschen. Denn die Patienten werden immer älter und benötigen intensive Pflege. Aber auch jüngere Menschen sind betroffen, die als Single leben.
Sabine Rittner vom Sozialdienst im Krankenhaus (ihre Abteilung heißt Entlassmanagement) ist täglich mit diesem Thema befasst. Und es wird immer schwieriger, denn eigentlich gibt es im Moment keine richtige Kurzzeitpflege im Landkreis. „Auch durch den Wegfall der Kurzzeitpflegeplätze in St. Martin haben wir kaum noch Unterbringungsmöglichkeiten.“Derzeit müsse man Menschen in Königsbrunn, Augsburg, Kempten oder Umgebung unterbringen. Die verbliebenen Einrichtungen im Landkreis haben, so Rittner, hauptsächlich Langzeitpflegeplätze. Wie beispielsweise in Vilgertshofen, und „nehmen Leute allenfalls in Form der sogenannten „eingestreuten Kurzzeitpflege“, wenn gerade Langzeitplätze frei werden, erklärt Rittner. Das jedoch, sagt der Leiter der Kreisseniorenheime, Thomas Söldner, komme seit einiger Zeit nur noch selten vor: „2014/15 hatten wir in Greifenberg sechs bis sieben Kurzzeit-Bewohner, aber mittlerweile ist auch die Nachfrage nach stationären Betten sehr groß geworden.“
Notarzt und Stadtrat Wolfgang Weisensee sprach in der jüngsten Stadtratssitzung ebenfalls diesen Notstand an. Er kennt Patienten, die bis Waltenhofen oder Cham gefahren werden mussten. „Das ist eine Situation, die keiner so will. Die Patienten werden aus ihrem Umfeld weit herausgerissen. Wir müssen neue Kurzzeitpflegeplätze schaffen“, sagt er. „Man kann doch die Menschen nicht 100 bis 150 Kilometer weit wegschaffen.“Auch Rittner bestätigt diese Situation: „Wir fin- den zwar für jeden nach langem Suchen einen Platz, allerdings nicht im Landkreis, das ist einfach nicht ideal.“Gerade bei älteren Menschen sei das ein großes Problem.
„Das Problem festzustellen, ist kein großes Kunststück“, sagt dazu auch Pajam Rais-Parsi, der im Landratsamt das Seniorenpolitische Gesamtkonzept des Landkreises umsetzen und weiterentwickeln soll. Das Problem habe sich in den vergangenen Monaten weiter verschärft. Zum einen durch die Auflösung der früheren zwölf Kurzzeitpflegeplätze im Sozialzentrum St. Martin, zum anderen durch das seit Januar wirksame Pflegestärkungsgesetz 2. Dieses ermöglicht pflegenden Angehörigen, Kurzzeit-Pflegeleistungen bis zu acht Wochen im Jahr in Anspruch zu nehmen. Momentan gibt es im Landkreis außer den „eingestreuten“keinen einzigen „solitären Kurzzeit-Pflegeplatz“, wie es im Amtsdeutsch heißt. Der rechnerische Bedarf liege laut Seniorenpolitischem Gesamtkonzept in den kommenden 14 Jahren bei bis zu 36 Einheiten, vielleicht steige er sogar auf bis zu 50, sagt Rais-Parsi.
An einer Problemlösung wird im Landratsamt aber inzwischen gearbeitet: Alle stationären Pflegeeinrichtungen im Landkreis haben jüngst Post bekommen. Darin wird nachgefragt, wie viele Pflegebetten sie für Kurzzeitpflege bereitstellen könnten und was dies kosten würde. Bis Ende Mai hofft Rais-Parsi auf Antworten aus den Einrichtungen.
Kurzzeitpflege-Kapazitäten vorzuhalten, ist für Heime in der Regel wirtschaftlich uninteressant: „Ein normales Pflegebett ist fast zu 99 Prozent ausgelastet“, sagt Rais-Parsi, „eingestreute Kurzzeitpflege nur zu etwa 70 Prozent.“Diese Lücke könnte – sofern das politisch gewollt ist – durch freiwillige finanzielle Leistungen des Landkreises geschlossen werden. Der Landkreis würde den Heimen dann die Kosten für die nicht belegten Tage erstatten. Zwölf Kurzzeitpflege-Betten seien das Ziel. Erreichbar sei dies aber erst für das Jahr 2018, schließlich müssten dafür über den Kreishaushalt erst die entsprechenden Gelder bereitgestellt werden.
Eine weitere Entspannung erhofft sich Rais-Parsi vom neuen HeiligGeist-Spital unter Leitung der Caritas. Voraussichtlich ab Sommer werden dort 120 stationäre Pflegeplätze zur Verfügung stehen (80 mehr als bisher). Hier könnten vielleicht auch kurzzeitige Pflegeleistungen angeboten werden.
Ebenfalls ab 2018 wird es in Leeder eine Kurzzeit-Pflegeeinrichtung geben. Beate Gürster, die die Mobile Pflege Fuchstal mit Tagespflege und ambulantem Dienst betreibt, investiert rund 1,5 Millionen Euro, um 16 solcher Pflegeplätze schaffen. Warum sie diese unternehmerische Entscheidung getroffen hat, die Gürster selbst als „Wagnis“bezeichnet? „Weil ich tagtäglich angerufen und gefragt werde, ob es bei uns auch Kurzzeit-Pflegeplätze gibt. Wir haben eine echte Versorgungslücke, wenn pflegende Angehörige Urlaub machen wollen oder selber erkranken“, sagt die PflegeUnternehmerin. Kurzzeitpflege ist für sie ein unverzichtbarerer Bestandteil eines häuslichen Pflegemodells, damit Menschen bis zu ihrem Lebensende daheim leben können.
In den nächsten Monaten wird die Situation aber weiter schwierig bleiben, wenn der Sozialdienst am Klinikum für die Wochen nach einer Entlassung eine vorübergehend nötige Pflegeeinrichtung suchen muss – oder die Fachstelle für pflegende Angehörige, eine Anlaufstelle, die Rais-Parsi Betroffenen nahelegt. Manchmal, weiß er, bleibe den Angehörigen aber auch nichts anderes übrig, „als selbst alle Pflegeeinrichtungen abzutelefonieren“.