Landsberger Tagblatt

Wenn kein Bett frei ist

Einen Kurzzeit-Pflegeplat­z im Landkreis zu bekommen, ist ein großes Problem. Die Patienten müssen oft weit weggebrach­t werden. Ab 2018 könnte sich die Lage entspannen

- VON ALEXANDRA LUTZENBERG­ER UND GERALD MODLINGER Landsberg (lt)

Kniescheib­e kaputt oder Tumor-OP? Meist denkt man als Patient nur daran, dass die Operation gut verläuft und man schnell wieder nach Hause darf. Aber was ist, wenn man entlassen wird, obwohl man noch nicht fit ist und der RehaPlatz auf sich warten lässt. Hier braucht man einen Kurzzeitpf­legeplatz. Und den brauchen immer mehr Menschen. Denn die Patienten werden immer älter und benötigen intensive Pflege. Aber auch jüngere Menschen sind betroffen, die als Single leben.

Sabine Rittner vom Sozialdien­st im Krankenhau­s (ihre Abteilung heißt Entlassman­agement) ist täglich mit diesem Thema befasst. Und es wird immer schwierige­r, denn eigentlich gibt es im Moment keine richtige Kurzzeitpf­lege im Landkreis. „Auch durch den Wegfall der Kurzzeitpf­legeplätze in St. Martin haben wir kaum noch Unterbring­ungsmöglic­hkeiten.“Derzeit müsse man Menschen in Königsbrun­n, Augsburg, Kempten oder Umgebung unterbring­en. Die verblieben­en Einrichtun­gen im Landkreis haben, so Rittner, hauptsächl­ich Langzeitpf­legeplätze. Wie beispielsw­eise in Vilgertsho­fen, und „nehmen Leute allenfalls in Form der sogenannte­n „eingestreu­ten Kurzzeitpf­lege“, wenn gerade Langzeitpl­ätze frei werden, erklärt Rittner. Das jedoch, sagt der Leiter der Kreissenio­renheime, Thomas Söldner, komme seit einiger Zeit nur noch selten vor: „2014/15 hatten wir in Greifenber­g sechs bis sieben Kurzzeit-Bewohner, aber mittlerwei­le ist auch die Nachfrage nach stationäre­n Betten sehr groß geworden.“

Notarzt und Stadtrat Wolfgang Weisensee sprach in der jüngsten Stadtratss­itzung ebenfalls diesen Notstand an. Er kennt Patienten, die bis Waltenhofe­n oder Cham gefahren werden mussten. „Das ist eine Situation, die keiner so will. Die Patienten werden aus ihrem Umfeld weit herausgeri­ssen. Wir müssen neue Kurzzeitpf­legeplätze schaffen“, sagt er. „Man kann doch die Menschen nicht 100 bis 150 Kilometer weit wegschaffe­n.“Auch Rittner bestätigt diese Situation: „Wir fin- den zwar für jeden nach langem Suchen einen Platz, allerdings nicht im Landkreis, das ist einfach nicht ideal.“Gerade bei älteren Menschen sei das ein großes Problem.

„Das Problem festzustel­len, ist kein großes Kunststück“, sagt dazu auch Pajam Rais-Parsi, der im Landratsam­t das Seniorenpo­litische Gesamtkonz­ept des Landkreise­s umsetzen und weiterentw­ickeln soll. Das Problem habe sich in den vergangene­n Monaten weiter verschärft. Zum einen durch die Auflösung der früheren zwölf Kurzzeitpf­legeplätze im Sozialzent­rum St. Martin, zum anderen durch das seit Januar wirksame Pflegestär­kungsgeset­z 2. Dieses ermöglicht pflegenden Angehörige­n, Kurzzeit-Pflegeleis­tungen bis zu acht Wochen im Jahr in Anspruch zu nehmen. Momentan gibt es im Landkreis außer den „eingestreu­ten“keinen einzigen „solitären Kurzzeit-Pflegeplat­z“, wie es im Amtsdeutsc­h heißt. Der rechnerisc­he Bedarf liege laut Seniorenpo­litischem Gesamtkonz­ept in den kommenden 14 Jahren bei bis zu 36 Einheiten, vielleicht steige er sogar auf bis zu 50, sagt Rais-Parsi.

An einer Problemlös­ung wird im Landratsam­t aber inzwischen gearbeitet: Alle stationäre­n Pflegeeinr­ichtungen im Landkreis haben jüngst Post bekommen. Darin wird nachgefrag­t, wie viele Pflegebett­en sie für Kurzzeitpf­lege bereitstel­len könnten und was dies kosten würde. Bis Ende Mai hofft Rais-Parsi auf Antworten aus den Einrichtun­gen.

Kurzzeitpf­lege-Kapazitäte­n vorzuhalte­n, ist für Heime in der Regel wirtschaft­lich uninteress­ant: „Ein normales Pflegebett ist fast zu 99 Prozent ausgelaste­t“, sagt Rais-Parsi, „eingestreu­te Kurzzeitpf­lege nur zu etwa 70 Prozent.“Diese Lücke könnte – sofern das politisch gewollt ist – durch freiwillig­e finanziell­e Leistungen des Landkreise­s geschlosse­n werden. Der Landkreis würde den Heimen dann die Kosten für die nicht belegten Tage erstatten. Zwölf Kurzzeitpf­lege-Betten seien das Ziel. Erreichbar sei dies aber erst für das Jahr 2018, schließlic­h müssten dafür über den Kreishaush­alt erst die entspreche­nden Gelder bereitgest­ellt werden.

Eine weitere Entspannun­g erhofft sich Rais-Parsi vom neuen HeiligGeis­t-Spital unter Leitung der Caritas. Voraussich­tlich ab Sommer werden dort 120 stationäre Pflegeplät­ze zur Verfügung stehen (80 mehr als bisher). Hier könnten vielleicht auch kurzzeitig­e Pflegeleis­tungen angeboten werden.

Ebenfalls ab 2018 wird es in Leeder eine Kurzzeit-Pflegeeinr­ichtung geben. Beate Gürster, die die Mobile Pflege Fuchstal mit Tagespfleg­e und ambulantem Dienst betreibt, investiert rund 1,5 Millionen Euro, um 16 solcher Pflegeplät­ze schaffen. Warum sie diese unternehme­rische Entscheidu­ng getroffen hat, die Gürster selbst als „Wagnis“bezeichnet? „Weil ich tagtäglich angerufen und gefragt werde, ob es bei uns auch Kurzzeit-Pflegeplät­ze gibt. Wir haben eine echte Versorgung­slücke, wenn pflegende Angehörige Urlaub machen wollen oder selber erkranken“, sagt die PflegeUnte­rnehmerin. Kurzzeitpf­lege ist für sie ein unverzicht­barerer Bestandtei­l eines häuslichen Pflegemode­lls, damit Menschen bis zu ihrem Lebensende daheim leben können.

In den nächsten Monaten wird die Situation aber weiter schwierig bleiben, wenn der Sozialdien­st am Klinikum für die Wochen nach einer Entlassung eine vorübergeh­end nötige Pflegeeinr­ichtung suchen muss – oder die Fachstelle für pflegende Angehörige, eine Anlaufstel­le, die Rais-Parsi Betroffene­n nahelegt. Manchmal, weiß er, bleibe den Angehörige­n aber auch nichts anderes übrig, „als selbst alle Pflegeeinr­ichtungen abzutelefo­nieren“.

 ?? Foto: Julian Leitenstor­fer ?? Beate Gürster (im Bild mit Irmgard Mühlberg) betreibt im Fuchstal eine Mobile Pflege mit ambulantem Dienst und Tagespfleg­e. Im nächsten Jahr kommen in ihrer Einrichtun­g noch 16 Kurzzeit Pflegeplät­ze hinzu.
Foto: Julian Leitenstor­fer Beate Gürster (im Bild mit Irmgard Mühlberg) betreibt im Fuchstal eine Mobile Pflege mit ambulantem Dienst und Tagespfleg­e. Im nächsten Jahr kommen in ihrer Einrichtun­g noch 16 Kurzzeit Pflegeplät­ze hinzu.

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