Harte Probe für Israels Regierung
Eine Siedlung wird geräumt. Dafür wird anderenorts gebaut
Bezalel Smotrich von der Siedlerpartei spricht von einer „brutalen Vergewaltigung“. Der israelische Parlamentsabgeordnete steht am jüdischen Außenposten Amona im Westjordanland, wo am Mittwoch israelische Polizisten im Einsatz sind. Sie beginnen mit der Räumung der Siedlung auf dem Bergrücken nordöstlich von Ramallah. „Nichts Gutes wird dabei herauskommen“, sagt Smotrich.
Es ist kühl, und der Himmel ist grau an diesem Morgen. Doch die Situation ist aufgeheizt – auf dem Hügel, in Israel und dem besetzten Westjordanland. Das höchste Gericht in Jerusalem hatte entschieden, dass 280 jüdische Siedler ihre Häuser verlassen müssen – bis zum 8.Februar. Der Außenposten stehe auf palästinensischem Privatland.
Durch den jahrelangen Streit um die Räumung ist Amona längst zu einem Symbol für die Siedlerbewegung geworden. Hunderte protestierende Jugendliche stehen am Mittwoch tausenden Polizisten gegenüber. Die Menschen werden handgreiflich, es gibt Verletzte auf beiden Seiten.
Die Räumung hat Ministerpräsident Benjamin Netanjahu massiv unter Druck gesetzt. Für den Erhalt seiner Regierung ist er auf die Unterstützung der rechtsreligiösen Kräfte im Parlament angewiesen. Deren Speerspitze um Erziehungsminister Naftali Bennett (Siedlerpartei) träumt allerdings schon von einer Annektierung des Westjordanlandes – und kritisierte die Räumung massiv.
Bennett sagte im Parlament: „Aus den Ruinen von Amona werden wir eine neue Siedlung bauen. Aus seinen Trümmern werden wir Kindergärten in ganz Judäa und Samaria (Westjordanland) errichten.“Viele Siedler berufen sich auf die Bibel. Gott habe dem Volk Israel das Land als Heimat versprochen.
Um die Gegner der Räumung zu besänftigen, genehmigt Netanjahu gemeinsam mit Verteidigungsminister Avigdor Lieberman noch am Vorabend der Räumung 3000 neue Siedlerwohnungen im Westjordanland. „Wir befinden uns in einer neuen Ära, in der das Leben in Judäa und Samaria (Westjordanland) wieder normal wird und die Bedürfnisse der Einwohner befriedigt werden“, heißt es in einer Mitteilung aus Liebermans Büro. Bereits eine Woche zuvor hatte die Regierung den Bau von 2500 weiteren Siedlerwohnungen angekündigt.
Seit dem Amtsantritt des republikanischen US-Präsidenten Donald Trump präsentiert sich Netanjahu in Bezug auf den Siedlungsausbau im Westjordanland und Ost-Jerusalem deutlich offensiver. Anders als früher gab es auch bisher keine öffentliche Kritik aus den USA an seinen Plänen. Aktuell diskutiert das israelische Parlament zudem ein Gesetz, das Siedlungen im Westjordanland nachträglich legalisiert – und mit dem Israel Palästinensern deren Land zumindest zeitweise wegnehmen kann.
Stefanie Järkel, dpa