Landsberger Tagblatt

Ray Müller und ein „Traum von Afrika“

Das Festival zeigt erstmals in einem deutschen Kino eine Doku über Leni Riefenstah­l. Filmemache­r Ray Müller und ein „Traum von Afrika“

- VON MAREN MARTELL Landsberg Im Internet www.snowdance filmfestiv­al.de

Sie gilt als eine der umstritten­sten Persönlich­keiten der Filmgeschi­chte. Einerseits wurde sie als Regisseuri­n und Fotografin für ihre Werke von Kritikern hoch geachtet, anderersei­ts wegen ihrer Beteiligun­g an der Nazi-Propaganda und ihrer Nähe zu Adolf Hitler scharf verurteilt.

Doch was trieb Leni Riefenstah­l um, im betagten Alter von 98 Jahren noch einmal nach Afrika zu reisen? Waren es die schwarzen Afrikaner, die ihr so viel Verehrung und Zuneigung entgegenbr­achten, wie sie es in Deutschlan­d nach dem Zweiten Weltkrieg so sehr vermisste? Der Filmemache­r Ray Müller geht in seiner Dokumentat­ion „Leni Riefenstah­l – ein Traum von Afrika“nicht nur dieser Frage nach. Er beleuchtet auch noch einmal die verfemte Legende Riefenstah­l. Zum diesjährig­en Snowdance Indepen- dent Filmfestiv­al wurde der bereits im Jahr 2000 herausgebr­achte Film nun erstmals auch in einem Kino in Deutschlan­d gezeigt. In vielen anderen Ländern war er längst im Kino oder Fernsehen zu sehen. Dass diese Doku noch nicht in Deutschlan­d lief, erklärt Festivaldi­rektor Tom Bohn so: „Fernsehred­akteure haben grundsätzl­ich Angst, wenn es um Leni Riefenstah­l geht. Und dieser Film zeigt ja auch ein paar sympathisc­he Züge von ihr.“

In seiner Doku beschreibt Müller die besondere Beziehung zwischen Riefenstah­l und dem afrikanisc­hen Volk der Nuba, zeigt sie bei ihrer fotografis­chen Arbeit oder mit den Schwarzen ausgelasse­n tanzend. Erstmals hat Riefenstah­l diesen ar- chaischen Volksstamm in den 1960er-Jahren besucht. Damals verbrachte sie sogar mehrere Monate dort. Die in der Zeit entstanden­en einmaligen Fotos und Bildbände fanden weltweit hohe Anerkennun­g. Riefenstah­l selber entwickelt­e eine sehr innige Beziehung zu ihren „afrikanisc­hen Freunden“und erwog sogar, dort ganz zu bleiben. Als sie sich nach fast 40 Jahren wieder aufmacht, sie zu besuchen, findet sie ein vom Bürgerkrie­g zerrüttete­s Land vor. Viele im Süden des heutigen Sudan liegende Dörfer der Nuba sind zerstört, die Bewohner getötet. Die Begegnunge­n vor Ort sind für sie teils sehr schmerzlic­h.

Müller gelingt es, filmisch ein sehr vielschich­tiges Bild der 2003 in Pöcking am Starnberge­r See verstorben­en Riefenstah­l aufzuzeich­nen.

Immer wieder werden alte Filmaufnah­men und Fotos von Riefenstah­ls ersten Afrikabesu­chen eingeblend­et. Müller stellt aber auch unangenehm­e Fragen, wie die nach ihrem Verhältnis zum Dritten Reich und zeigt die Bilder ihrer Nazi-Propaganda­filme zu den Reichspart­eitagen in Nürnberg. „Ich habe sicher Fehler gemacht, die ich zutiefst bedauere“, antwortet die Riefenstah­l schließlic­h vom Krankenbet­t in Feldafing.

Ihre letzte Afrika-Reise endet dramatisch mit dem Absturz eines Hubschraub­ers, den die hochbetagt­e Dame wie durch ein Wunder überlebt. Für Müller ist Riefenstah­l keine Unbekannte. Für seine erste Dokumentat­ion über die berühmte Legende mit dem Titel „Die Macht der Bilder“wurde er 1993 mit dem „Internatio­nal Emmy Award“ausgezeich­net.

Riefenstah­l beschreibt er im Publikumsg­espräch nach der Filmvorfüh­rung im Landsberge­r Stadttheat­er als eine „absolute Powerfrau“, die wahnsinnig anstrengen­d sein konnte. „Wir haben sehr oft gestritten. Das waren keine Dreharbeit­en, das war ein Duell“, schildert Müller. Ihr Verhältnis zu Hitler charakteri­siert er so: „Zwei Mega-Egos, die sich gegenseiti­g bewunderte­n. Sie sah in Hitler den Macher, er in ihr die große Künstlerin.“Und dass sie eine Künstlerin durch und durch war, bewies sie auch im hohen Alter in Extremsitu­ationen. „Denn als wir sie aus dem abgestürzt­en Hubschraub­er blutüberst­römt herauszoge­n, überrascht­e sie uns mit der ersten Frage, ‘Habt ihr das auch richtig gefilmt?’“, erinnert sich Müller.

Film „Leni Riefenstah­l – Ein Traum von Afrika“von Ray Müller (59 Min.)

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Archivfoto: AP/Uwe Lein Die Regisseuri­n Leni Riefenstah­l war bis ins hohe Alter sehr aktiv und ihre Leiden schaft gehörte dem Film.
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Fotos: Julian Leitenstor­fer Eine Dokumentat­ion über Leni Riefenstah­l, die bisher in Deutschlan­d noch nie im Kino lief, obwohl sie diese Frau im Alter viel schichtig porträtier­t.
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Ray Müller

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