Ampel will Einwanderung erleichtern
In Deutschland fehlen Arbeitskräfte. Deshalb sollen Bewerber einfacher einreisen können.
In Zukunft dürfte es noch schwieriger werden, ein Restaurant für die Weihnachtsfeier oder einen Handwerksbetrieb zum Einbau einer Wärmepumpe zu finden. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg hat ausgerechnet, dass bis 2035 sieben Millionen Facharbeitskräfte in Deutschland fehlen, wenn nicht kräftig gegengesteuert wird. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zitierte diese Zahl am Mittwoch warnend und präsentierte gleichzeitig ein neues Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das die Entwicklung stoppen soll. Noch sind es nur Eckpunkte, die das Kabinett beschlossen hat. Aber Heil zeigte sich zuversichtlich, dass der entsprechende Gesetzentwurf Anfang nächsten Jahres in den Bundestag geht. Das neue Recht soll es Angehörigen von Drittstaaten außerhalb der EU wesentlich leichter machen, in Deutschland eine Arbeit aufzunehmen. Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) fasste es so zusammen: „Anerkennung muss schneller werden und sie muss einfacher werden.“
Ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz gibt es bereits seit 2020, das neue Recht soll nun weniger bürokratisch sein und mehr Menschen die Einreise erlauben. So können Fachkräfte mit Abschluss und Berufserfahrung künftig auch ohne Anerkennungsverfahren nach Deutschland kommen und hier arbeiten. Gleichzeitig will die Ampel verstärkt um Studierende und Auszubildende werben. Einen Systemwechsel stellt die „Chancenkarte“dar. Qualifizierte Drittstaatler, die noch keinen Arbeitsvertrag haben, bekommen ein Jahr Zeit für die Arbeitssuche. Die entsprechende Aufenthaltserlaubnis wird auf Basis eines Punktesystems erteilt, in das Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug und das Alter einfließen. Kurzzeitig befristete Beschäftigung soll mithilfe von Kontingenten
ohne spezielle Qualifikation zulässig sein.
Die Ampel folgt damit dem Rat der Experten. Das IAB etwa kritisiert, dass die komplizierte Anerkennung ausländischer Abschlüsse das größte Hindernis für den Fachkräftezuzug darstellt. Da die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland langfristig sinkt, werden die aber dringend benötigt. Laut IAB braucht Deutschland in den nächsten 40 Jahren jährlich netto mindestens 260.000 Einwanderer aus EU- wie auch aus Nicht-EU-Ländern, um den Personalbedarf bei Staat und Unternehmen zu decken. Wie kritisch die Lage ist, macht seit Jahren der MINT-Report deutlich. In den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) erreichte die Fachkräftelücke im Oktober mit insgesamt rund 326.100 fehlenden Arbeitskräften einen der höchsten Werte. Besonders eng ist es gerade bei den IT-Jobs und den Berufen der Energieund Elektrotechnik. Im Baubereich nehmen Engpässe demnach leicht ab. Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer begrüßte die Eckpunkte im Grundsatz, mahnte aber eine Beschleunigung und Entbürokratisierung an: „Hierzu muss die Visumsvergabe deutlich schneller werden und die Ausländerbehörden müssen sich in echte Welcome-Center wandeln.“
Gesetze für eine leichtere Einwanderung sind das eine. Die umworbenen Fachkräfte müssen sich hier aber auch wohlfühlen können, wie Heil betonte. Länder wie die USA und Australien lägen in der Beliebtheit nicht nur deshalb vor Deutschland, weil das Wetter dort besser sei, scherzte der Minister. Eine größere Hürde ist die Sprache. Nur wenige Menschen auf der Welt sprechen Deutsch, viele aber Englisch. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger mahnte eine Fortentwicklung der Willkommenskultur an: „Deutschland muss auch die richtigen Signale an diejenigen senden, die bei uns arbeiten wollen.“