Ziel klar verfehlt
Neun Punkte waren das Ziel. Nicht vermessen, zumal die Gegner aus Europas Fußball-Hinterbänken kamen: Island, Rumänien und Nordmazedonien. Zudem galt es, jenes 0:6 gegen Spanien zu tilgen, das Fußball-Deutschland bis heute noch nicht verdaut hat. Dazu bedurfte es dreier makelloser Auftritte und glänzender Ergebnisse. Am Ende ist die deutsche Nationalmannschaft an diesem Ziel krachend gescheitert. Schürte das forsch vorgetragene 3:0 gegen Island noch die Hoffnung auf ein neues Gesicht der DFB-Auswahl, mischten sich in das 1:0 gegen Rumänien, mit den vielen vergebenen Torchancen, Zweifel an der Brillanz ins Urteil. Ausgerechnet der Weltranglisten-65. Nordmazedonien setzte den vierfachen Weltmeister dann der Peinlichkeit einer 1:2-Niederlage aus.
Wie Isländer und Rumänen verteidigten auch die Nordmazedonier leidenschaftlich ihren Strafraum und beteiligten sich wenig am Spiel, was ihr gutes Recht ist. Doch dieses Mal gelang es der deutschen Mannschaft nicht, aus ihrer Überlegenheit Kapital zu schlagen. Die letzte Sichtungsmöglichkeit vor der Nominierung des EM-Kaders endete mit einem heftigen Rückschlag. Deutschland steht in der WMQualifikationsgruppe hinter Armenien und Nordmazedonien auf Platz drei. Nur der Gruppenerste qualifiziert sich direkt für Katar 2022. Jogi Löw, der im Sommer zurücktritt, interessiert das nicht mehr. Sein Augenmerk gilt der EM (11. Juni – 11. Juli).
Doch die Aussichten dafür sind inzwischen wieder düster. Zudem sieht er sich einer erneuten Trainerdiskussion ausgesetzt. Die Mannschaft, die er nach dem WM-Desaster von 2018 umbauen, ihr ein neues Gesicht geben wollte, hat aber keine stabile Form. Am 1. Juni muss er seinen 23er Kader benennen. Die Frage, die nach der Mittwochspleite neue Dringlichkeit erfahren hat: Braucht er Thomas Müller und Mats Hummels? Antwort: Ja, er braucht sie beide. Nicht gesetzt, aber als Ergänzungsspieler, wenn es Erfahrung bedarf oder ein Spiel ins Stocken geraten ist, wie gegen die No Names aus Nordmazedonien. Talent ist im Löw-Kader vorhanden – nur liefert es nicht. Am Mittwoch ist es der Leidenschaft unterlegen. Was dem Bundestrainer aber vor allem fehlt, ist ein Mittelstürmer. Ein Typus, den er nicht im Repertoire hat, den die Bundesliga auf internationalem Niveau nicht liefert. Der einzige Treffer gegen Nordmazedonien resultierte aus einem Strafstoß.
Das heißt nicht, dass Löw keine torgefährlichen Angreifer zur Verfügung hat. Gnabrys Länderspielausbeute (15 Treffer in 19 Spielen) ist beeindruckend, Werner hat in 45 Leipziger Pflichtspielen 34 Mal getroffen. Aber es sind Konterstürmer, die Platz brauchen. Genau den haben ihnen die Nordmazedonier nicht geboten. Den gibt es erst wieder bei der EM in den Gruppenspielen gegen Frankreich oder Portugal, den Welt- und den Europameistern.