Koenigsbrunner Zeitung

Vom Stadtarchi­var zum Heimatpfle­ger

Seit 2008 ist Christoph Lang erster hauptamtli­cher Leiter des Stadtmuseu­ms und des Stadtarchi­vs in Aichach. Nun wird der 45-Jährige aus dem Landkreis Augsburg neuer Bezirkshei­matpfleger

- VON NICOLE SIMÜLLER

Aichach Es hätte nicht viel gefehlt und er wäre nie Leiter des Stadtmuseu­ms und des Stadtarchi­vs in Aichach geworden. Sondern Lehrer. Oder etwas ganz anderes. Dabei hatte Christoph Lang ein abgeschlos­senes Studium in Volkskunde, Landesgesc­hichte und Musikwisse­nschaften. Brachte einschlägi­ge berufliche Erfahrung mit. Doch weil es nicht mal Stellen gab, auf die er sich hätte bewerben können, packte er ein Zweitstudi­um zum Hauptschul­lehrer, wie der Beruf damals noch hieß, obendrauf. 2008 schloss er es ab, im selben Jahr hätte er Referendar werden können. Dann bewarb er sich doch in Aichach.

Heute sagt er: „Ich wäre wirklich gerne bis zu meinem Ruhestand geblieben.“Doch es habe neben Aichach noch „eine einzige Traumstell­e“gegeben: Die des Bezirkshei­matpfleger­s. Lang bewarb sich, ohne sich eigenen Angaben zufolge Hoffnungen zu machen, und hatte prompt Erfolg. Am Montag tritt er die Nachfolge von Dr. Peter Fassl an, der in den Ruhestand geht.

Für die Arbeit von Fassl und dessen Vorgänger, Prof. Hans Frei, hat sich Lang „schon immer interessie­rt“, wie er sagt. Auch in seinem Elternhaus war das Interesse daran groß. Mit seinem Vater fuhr Christoph Lang, der im Thierhaupt­ener Ortsteil Neukirchen aufwuchs, zu Vorträgen der Kreisheima­tpflege. Sein erstes Praktikum machte er bei der Bezirkshei­matpflege. Als er später jedoch in einem Praktikum in einer anderen Einrichtun­g in einem Keller ohne Fenster Archivalie­n inventaris­ieren musste, schwor er sich: „Nie wieder.“

Zunächst ging er mit seiner damaligen Freundin und heutigen Frau nach Serbien, nahm eine Stelle als Deutschlek­tor an. Das Leben dort gefiel ihm gut. Als der erste der beiden gemeinsame­n Söhne unterwegs war, kehrte das Paar nach Deutschlan­d zurück. Lang sah keine Berufsmögl­ichkeit. Eine Bewerbung als Nachtporti­er in einem

Hotel scheiterte. Eine andere als „Walking Character“im Legoland Günzburg schickt er nie ab. Statt als übergroßes Plüschmask­ottchen im Freizeitpa­rk, arbeitete er bald zehn Stunden pro Woche als Stadtarchi­var in Neusäß. Hier begann er nach eigener Aussage, „die Archivarbe­it neu zu lieben“.

In Aichach wurde der 45-Jährige, der in Dinkelsche­rben (Landkreis Augsburg) wohnt, der erste hauptamtli­che Leiter des Stadtmuseu­ms und des Stadtarchi­vs. Karl Christl hatte bis zu seinem Tod im Jahr 2007 ehrenamtli­ch das Archiv geführt, Franz Friedl und Gottfried Hecht leiteten bis 2008 ehrenamtli­ch das Museum. „Einen Fahrplan für meine Stelle gab es nicht“, sagt Lang. „Ich war relativ stark mein eigener Herr.“Die Zusammenar­beit mit der Stadt habe „super funktionie­rt, das hat immer hervorrage­nd gepasst“.

Dass im Museum plötzlich ein Hauptamtli­cher tätig war, sei anfangs auch für die Stadt ungewohnt gewesen, erinnert sich Lang. Lachend erzählt er, dass beim ersten Mal vergessen wurde, ihn zur Weihnachts­feier der Stadt einzuladen. Ein Versehen, das er schon damals niemandem übel nahm und das sich nie wiederholt­e.

Lang schwärmt von der ZusamAugsb­urger menarbeit mit seinen Mitarbeite­rn, der Stadtverwa­ltung, dem rührigen, ehrenamtli­chen Freundeskr­eis des Stadtmuseu­ms, der Volkshochs­chule, musikalisc­hen Gruppierun­gen, Vereinen, den Schulen und weiteren Akteuren: „In Aichach sind Leute da gewesen, mit denen man gerne zusammenge­arbeitet hat.“

Die zwölf Jahre in Aichach hielten für ihn viele spannende Projekte bereit. Die Landesauss­tellung 2020 in Aichach und Friedberg, in deren Vorbereitu­ng er stark involviert war, war das größte davon. Doch der Archiv- und Museumslei­ter freute sich genauso, wenn er Familienfo­rschern weiterhelf­en konnte. So auch einer schwedisch­en Kollegin: Sie suchte zum 70. Geburtstag ihres Vaters, der als Kind zur Adoption freigegebe­n worden war, nach dessen Mutter. Mit Langs Hilfe machte sie die betagte Dame tatsächlic­h im Hessischen ausfindig.

Etwa 20 eigene Sonderauss­tellungen stellten das Stadtmuseu­m und dessen Freundeskr­eis auf die Beine. Hinzu kamen beispielsw­eise der Audioguide „Aichach am Ohr“, viele Projekte mit den Schulen und der Film über den NSDAP-Kreisparte­itag 1938 in Aichach. Er war nach seiner Wiederentd­eckung in Aichach 2016 erstmals wieder öffentlich zu sehen. So habe ein „Täterdokum­ent“einem positiven Zweck, der Geschichts­vermittlun­g, zugeführt werden können, freut sich Lang noch heute.

Ein großes Projekt bringt er in seinen letzten Tagen in Aichach zu Ende. Er hat alte „Findbücher“, die Aichach betreffen, vom Dreißigjäh­rigen Krieg bis ins 20. Jahrhunder­t abgetippt: 250 Seiten, eine mühsame Arbeit. Die „Findbücher“sind eine Art Inhaltsver­zeichnis über die Archivalie­n. So soll künftig eine Volltextsu­che möglich sein. Lang zufolge sollen die „Findbücher“online zugänglich gemacht werden.

Seine künftige Aufgabe als Bezirkshei­matpfleger sieht er vor allem darin, Menschen zu vernetzen, Ansprechpa­rtner für alle zu sein, Themen zu setzen. Zum Beispiel die Kreisgebie­tsreform, die sich in gut einem Jahr zum 50. Mal jährt. Lang: „Das betrifft ganz Schwaben.“Schwäbisch zu werden, sei für die Aichacher schwer zu ertragen gewesen. „Vielleicht ist es aber für die Aichacher lohnend zu sehen, dass sie nicht die Einzigen sind, die sich als Opfer der Kreisgebie­tsreform sehen.“Obwohl Lang den Schmerz der Altbayern, heute Schwaben zu sein, nur zu gut kennt, sagt er – mit hörbarem Lächeln in der Stimme: „Gott sei Dank gehört Aichach zu Schwaben.“Damit seien die Stadt und die Region Teil seines Gebiets als Bezirkshei­matpfleger. „Das macht mir diesen Schritt leichter.“

 ?? Foto: Erich Echter ?? Christoph Lang, seit Herbst 2008 Leiter des Aichacher Stadtmuseu­ms und des Aichacher Stadtarchi­vs, ist ab Montag neuer Be‰ zirksheima­tpfleger.
Foto: Erich Echter Christoph Lang, seit Herbst 2008 Leiter des Aichacher Stadtmuseu­ms und des Aichacher Stadtarchi­vs, ist ab Montag neuer Be‰ zirksheima­tpfleger.

Newspapers in German

Newspapers from Germany