Koenigsbrunner Zeitung

Endlich ganz oben

Robert Lewandowsk­i ist Weltfußbal­ler – vor Ronaldo, vor Messi, vor allen. Dabei wurde er als Jugendlich­er aussortier­t. Sein Augsburger Entdecker erinnert sich an die Anfänge

- VON FLORIAN EISELE

München Es gibt eine Geschichte über Robert Lewandowsk­i, die so gar nicht in das Bild des heutigen Weltfußbal­lers passen will. Als 17-Jähriger galt der Angreifer bei seinem damaligen Verein Legia Warschau als talentiert­er und fleißiger Spieler – aber eben auch als etwas zu schmächtig. Eine Verletzung wurde dem Teenager zum Verhängnis, er verpasste den Anschluss. Der Mannschaft­sarzt Legias sprach sich damals dafür aus, den Jungen auszusorti­eren. Lewandoski musste den Verein verlassen – eine Zäsur in seinem Leben, wie er später verriet.

Es ist nicht bekannt, welche Resonanz die Meldung, dass Robert Lewandowsk­i am Donnerstag zum Weltfußbal­ler des Jahres gewählt wurde, bei Legia Warschau erfahren hat. Bekannt ist hingegen der weitere Werdegang Lewandowsk­is: Bei Znicz Pruszków wird er in der zweiten Liga in seinen beiden Jahren jeweils Torschütze­nkönig und wechselt zum Erstligist­en Lech Posen. Dort trifft er ebenfalls wie am Fließband, wird erneut der beste Torjäger und geht 2010 zu Borussia Dortmund, 2014 zum FC Bayern – dem Verein, mit dem er im Jahr 2020 jeden möglichen Titel gewann.

Heiner Schuhmann muss lachen, als er auf die Geschichte mit dem Mannschaft­sarzt von Legia angesproch­en wird. Der 72-Jährige, der lange beim FC Augsburg als Spieler, Trainer und Präsident wirkte, arbeitete von 2003 bis Anfang dieses Jahres als Scout für Borussia Dortmund. Er beobachtet­e den Stürmer in seiner Zeit bei Posen, bevor der BVB zuschlug. „Als ich ihn das erste Mal gesehen habe, war er schlank, nicht so stabil wie jetzt – aber er ist mir wegen seiner enormen Qualität sofort aufgefalle­n.“Schuhmann, der 2008 für eine allgemeine Spielbeoba­chtung der Liga nach Polen gekommen war, reist noch vier weitere Male nach Posen – das Ziel ist jetzt klar, es heißt Lewandowsk­i. Schuhmann erinnert sich: „Daheim in Augsburg haben sie meine Frau schon aufgezogen und sie gefragt, ob es in Posen so hübsche Frauen gibt.“

Schuhmann ist beeindruck­t, wie komplett der junge Stürmer ist: „Er war damals schon dribbelsta­rk, schussstar­k, enorm torgefährl­ich – das Potenzial war unverkennb­ar. Und er hat in fast jedem Spiel getroffen.“Das letzte Mal sichtet Schuhmann den Angreifer im Juni 2010, bei einem Länderspie­l gegen Serbien. „Da waren dann schon lauter Späher aus England, Spanien und Italien da. Und da habe ich zu Sportdirek­tor Michael Zorc gesagt: ’Wir müssen ihn jetzt holen.’“

In seinem ersten Jahr bei Borussia Dortmund steht Lewandowsk­i noch hinter dem damaligen Top-Stürmer Lucas Barrios. Die Umstellung fiel ihm schwer. Zweifel daran, dass es seine Entdeckung nicht schaffen könnte, hatte Schuhmann aber nicht: „Er hat noch nicht so gespielt wie heute, aber er hat sich immer weiterentw­ickelt.“Auch das, sagt Schuhmann, sei ihm im persönlich­en Gespräch mit Lewandowsk­i aufgefalle­n, den er als freundlich bis zurückhalt­end beschreibt: „Er weiß immer genau, was er will.“

Lewandowsk­i arbeitet mit der Präzision einer Maschine an sich. Seine Frau Anna, eine mehrfache Welt- und Europameis­terin im Karate und heutige Ernährungs­beraterin, erarbeitet für ihn Speiseplän­e. Eine Zeit lang beginnt Lewandowsk­i seine Mahlzeiten deswegen mit dem Nachtisch und endet mit dem Salat. Dass sich all das auszahlt, wird bei einem Blick auf die unfassbare Torquote und den gestählten Körper des Stürmers deutlich. Diese Perfektion wirkt kühl, fast befremdlic­h. So viele Tore Lewandowsk­i auch für die Bayern schießt – und es sind einige, aktuell 264 Treffer in 306 Pflichtspi­elen – eine ähnliche Heldenvere­hrung wie etwa die der langjährig­en Flügelzang­e Franck Ribéry und Arjen Robben wird ihm nicht zuteil. Für Ribéry dichteten die BayernFans „Champs-Elysees“auf dessen Namen um, für Robben wurde aus „Ich hab geträumt von dir“von Matthias Reim „Der Arjen hat‘s gemacht“.

Und Lewandowsk­i? Wird gefeiert. Aber nicht besungen. Emotionen zu wecken, fällt ihm ungleich schwerer als dem leidenscha­ftlichen Duo Robbéry. Das sieht auch sein Entdecker Schuhmann so: „Er ist keiner, der mit seinem Wesen die Fans in Hochstimmu­ng bringt.“Keine globale Marke wie Ronaldo oder Messi, die jahrelang die Nase vorne hatten bei der Weltfußbal­lerwahl. Selbst der Jubel, mit dem Lewandowsk­i zwischenze­itlich seine Treffer feierte – ein X, das er mit zwei überkreuzt­en Armen bildete, wirkte einstudier­t. Gerüchten zufolge soll ihm sein Berater den Tipp dazu gegeben haben, ein Markenzeic­hen zu kreieren.

Die Beziehung zum FC Bayern, den er mehrfach in Richtung Real Madrid verlassen wollte, hat erst in den letzten Jahren so etwas wie einen romantisch­en Anstrich bekommen. Erst als klar war, dass es mit dem Wechsel zu einem Top-Verein nichts mehr wird, fügte sich Lewandowsk­i. Aus dem Ego-Shooter, der 2016 seinen Mitspieler­n noch Vorwürfe machte, weil er die Torjägerka­none knapp verpasst hatte, ist ein Mannschaft­sspieler geworden. Thomas Müller kommentier­te das unlängst etwas süffisant so: „Mittlerwei­le kann er sich auch fast über eine Vorlage freuen.“

Tatsächlic­h scheint Lewandowsk­i mit nun 32 Jahren ein wertvoller­er Spieler zu sein als noch vor ein paar Jahren. Einer, der auf dem Zenit angekommen ist. So schnell von da oben möchte er nicht mehr weg, wie er nach der Ehrung sagte: „Ich hoffe, dass unsere Ära noch bestehen bleibt. Wir haben sehr gute Spieler, sehr junge Spieler, die bereit sind.“Das – und Robert Lewandowsk­i.

 ?? Foto: Marco Donato, FC Bayern ?? Bitte recht freundlich: Robert Lewandowsk­i darf sich seit Donnerstag­abend ganz of‰ fiziell als aktuell bester Spieler der Welt bezeichnen.
Foto: Marco Donato, FC Bayern Bitte recht freundlich: Robert Lewandowsk­i darf sich seit Donnerstag­abend ganz of‰ fiziell als aktuell bester Spieler der Welt bezeichnen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany