Koenigsbrunner Zeitung

Warum keiner die Corona‰Milliarden will

Die Europäisch­e Union hat im Frühjahr milliarden­schwere Rettungspa­kete aufgelegt. Ein großer Teil der Gelder liegt allerdings bislang ungenutzt herum. Ähnlich könnte es sich nun beim von Ungarn und Polen blockierte­n Aufbaufond­s verhalten

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päische Kommission für ein europäisch­es Kurzarbeit­ergeld (das Projekt trägt den Namen „SURE“) zusammenge­stellt. Zwar wurden inzwischen Anträge der Regierunge­n über 90 Milliarden Euro bewilligt, aber auch erst 31 Milliarden Euro ausgezahlt.

Es sind erstaunlic­he Zahlen, die Finanzstaa­tssekretär Jörg Kukies in der Vorwoche vor dem Haushaltau­sschuss des Bundestage­s bekannt gab. Bei jedem EU-Gipfel schildern die Staats- und Regierungs­chefs in grellen Farben, wie furchtbar das Virus die eigene Wirtschaft getroffen hat. Die bereitgest­ellten Hilfen aber werden nur zu einem kleinen Teil angerührt. Das könnte sich beim 750 Milliarden Euro schweren Aufbaufond­s, dessen Auszahlung wegen der Vetos aus Ungarn und

derzeit gestoppt ist, wiederhole­n. Bei einer Umfrage in den Regierungs­zentralen vor wenigen Tagen zeigte sich nämlich, dass zwar alle auf ihren Anteil an den 390 Milliarden Euro warten, die als Zuwendunge­n vergeben, also nicht zurückgeza­hlt werden müssen. An den Darlehen der restlichen 360 Milliarden Euro gibt es praktisch kein Interesse. Tatsächlic­h scheint die Angst der Regierunge­n vor europäisch­en Leihgaben groß zu sein. „Schulden sind nicht gleich Schulden“, sagte der Finanzexpe­rte der christdemo­kratischen Fraktion im Europäisch­en Parlament, Markus Ferber (CSU), gegenüber unserer Redaktion am Montag. Zwar sind Kredite, hinter denen die EU-Kommission steht, für die Mitgliedst­aaten deutlich billiger, weil die EU am FinanzPole­n markt als Kunde mit guter Bonität gilt und somit Finanzen zu niedrigen Zinssätzen leihen kann. Aber die Furcht vor einer Wiederkehr der Troika ist groß. Die Experten der Geldgeber diktierten in der Staatsschu­ldenkrise jeder Regierung, was sie bis wann an Reformen zu erledigen hatte. Geblieben ist die Befürchtun­g, dass „Brüssel jedem, der Geld will, kritischer auf die Finger guckt“, so Ferber. Wer sich dagegen selbst Geld leiht und damit Staatsprog­ramme finanziert, „fühlt sich weniger streng beobachtet“. Hinzu kommt, dass nationale Staatsschu­lden nach Ablauf einer Anstandsfr­ist an die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) verkauft werden können, die dafür frisches Geld auszahlt. In dieser Situation sorgte nun ein Interview von EU-Parlaments­präsident David Sassoli vor wenigen Tagen für heftige Diskussion­en. Der Italiener bezeichnet­e einen Schuldensc­hnitt für seine Heimat als „grundsätzl­ich überlegens­wert“. Kein Wunder, Italiens Schuldenst­and hatte im Juni 2020 mit 149,5 Prozent der Jahreswirt­schaftslei­stung einen neuen Rekord erreicht. Griechenla­nd lag zum gleichen Zeitpunkt bei 187,4 Prozent. Die Länder brauchen Geld, aber Hilfskredi­te sind und bleiben eben Schulden.

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