Koenigsbrunner Zeitung

Ändert Bayern seine Test-Strategie?

Nach der nächsten Panne in einer bayerische­n Teststatio­n werden die Rufe nach einer Neujustier­ung der Corona-Politik lauter. Auch aus Reihen der Regierungs­koalition

- VON MAX KRAMER

Nürnberg Die Pannenseri­e in Testzentre­n weitet sich auf ganz Bayern aus. Nach Verzögerun­gen bei der Übermittlu­ng von Testergebn­issen und Diskussion­en um die Qualifikat­ion des Personals ist nun bekannt geworden, dass sich drei Mitarbeite­r der Teststatio­n am Nürnberger Flughafen mit dem Coronaviru­s infiziert haben. Damit wurden nach Auskunft des Landesamts für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it (LGL) in den vergangene­n Tagen insgesamt sieben Mitarbeite­r von Teststatio­nen des Betreibers Ecolog positiv auf das Coronaviru­s getestet: drei weitere am Flughafen München, einer am Flughafen Memmingen. Damit steigt die

Sorge, dass die Mitarbeite­r der Teststatio­nen teils selbst zu Supersprea­dern geworden sind.

Wie der Bayerische Rundfunk berichtet, seien Kollegen der Infizierte­n in Nürnberg nur unzureiche­nd informiert worden. Eine Mitarbeite­rin der Teststatio­nen habe erklärt: „Wir wurden überhaupt nicht informiert, das hat sich nur durch private Gruppen herumgespr­ochen, durch Kollegen, nicht durch Vorgesetzt­e. Es konnte nicht ermittelt werden, wer mit der Person zusammenge­arbeitet hatte, demnach war auch keiner in Quarantäne. Weil der Vorfall am Wochenende war und alle frei hatten, kann sich das Virus leicht übertragen haben.“Berichten zufolge dauert es bis zu 72 Stunden, bis auch die Corona-Tester Ergebnisse bekommen. In der Zwischenze­it würde das Personal teils in komplett unterschie­dlichen Schichten zusammenar­beiten.

Nach immer mehr Zwischenfä­llen, darunter jüngst auch in Hirblingen im Landkreis Augsburg, wird die Kritik an den bayerische­n Teststatio­nen lauter. Und mit ihr der Ruf nach einer neuen Strategie – auch aus den Reihen der Regierungs­koalition. Fabian Mehring, Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der Freien Wähler im Landtag, erklärt im Gespräch mit unserer Redaktion, das Motto „Testen, testen, testen“sei weiterhin richtig. Nun, nach Ende der Urlaubsund Reisezeit, müsse aber ein

Umdenken stattfinde­n: „Wir müssen nachsteuer­n, mit clevereren, gezieltere­n und dezentrale­ren Ansätzen. Viel deutet darauf hin, dass uns das Coronaviru­s noch mehrere Jahre begleitet. Jeden Bayern wahllos und kostenlos zu testen, ist virologisc­h jetzt nicht mehr sinnvoll.“Ressourcen, etwa in den Laboren, seien schon jetzt begrenzt. „Wir müssen uns deshalb genau überlegen, wen, wann und wie wir testen. Testen um des Testens willen ist nicht zielführen­d.“

Immer wieder würden sich Hilfsorgan­isationen und Landräte bei ihm melden und von fragwürdig­en Zuständen in den Teststatio­nen berichten, sagt Mehring. Er habe sich damit telefonisc­h und brieflich an Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml (CSU) gewandt. Einen Streit mit dem Koalitions­partner wolle er nicht anzetteln. „Aber wir müssen schleunigs­t Instrument­arien bereitstel­len, die zuverlässi­g funktionie­ren, und zwar langfristi­g. Mit jedem weiteren Zwischenfa­ll verlieren die Bürger das Vertrauen in unsere Maßnahmen.“Die Infrastruk­tur für weitreiche­nde Corona-Tests aufzubauen, sei ein Mammutproj­ekt gewesen. Dass zunächst nicht alles reibungslo­s abgelaufen sei, sei verständli­ch. „Aber ein Wattestäbc­hen in ein Kuvert zu stecken und ins Labor zu schicken, muss nach vier Monaten organisier­bar sein.“

Auch von ärztlicher Seite werden Forderunge­n nach einer Neujustier­ung

der Testpoliti­k immer deutlicher formuliert. Gerald Quitterer, Präsident der Bayerische­n Landesärzt­ekammer, spricht sich in einem Kommentar im Bayerische­n Ärzteblatt gegen die ungezielte, kostenlose Testung Gesunder aus. Er schlägt vielmehr vor, sich auf die frühzeitig­e Erfassung von Patienten mit Symptomen oder Risikogrup­pen zu konzentrie­ren. Auch bestimmte Gruppen wie pädagogisc­hes, pflegerisc­hes und medizinisc­hes Personal müssten priorisier­t werden. „Wir müssen uns darüber im Klaren sein: Diese Testungen sind Momentaufn­ahmen und sagen nichts über eine schon morgen mögliche Ansteckung eines Menschen aus.“

 ?? Symbolfoto: Alexander Kaya ?? Die Kritik an der Arbeit in den bayerische­n Teststatio­nen wird lauter. Wird der Freistaat seine Strategie überdenken?
Symbolfoto: Alexander Kaya Die Kritik an der Arbeit in den bayerische­n Teststatio­nen wird lauter. Wird der Freistaat seine Strategie überdenken?
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany