Ändert Bayern seine Test-Strategie?
Nach der nächsten Panne in einer bayerischen Teststation werden die Rufe nach einer Neujustierung der Corona-Politik lauter. Auch aus Reihen der Regierungskoalition
Nürnberg Die Pannenserie in Testzentren weitet sich auf ganz Bayern aus. Nach Verzögerungen bei der Übermittlung von Testergebnissen und Diskussionen um die Qualifikation des Personals ist nun bekannt geworden, dass sich drei Mitarbeiter der Teststation am Nürnberger Flughafen mit dem Coronavirus infiziert haben. Damit wurden nach Auskunft des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in den vergangenen Tagen insgesamt sieben Mitarbeiter von Teststationen des Betreibers Ecolog positiv auf das Coronavirus getestet: drei weitere am Flughafen München, einer am Flughafen Memmingen. Damit steigt die
Sorge, dass die Mitarbeiter der Teststationen teils selbst zu Superspreadern geworden sind.
Wie der Bayerische Rundfunk berichtet, seien Kollegen der Infizierten in Nürnberg nur unzureichend informiert worden. Eine Mitarbeiterin der Teststationen habe erklärt: „Wir wurden überhaupt nicht informiert, das hat sich nur durch private Gruppen herumgesprochen, durch Kollegen, nicht durch Vorgesetzte. Es konnte nicht ermittelt werden, wer mit der Person zusammengearbeitet hatte, demnach war auch keiner in Quarantäne. Weil der Vorfall am Wochenende war und alle frei hatten, kann sich das Virus leicht übertragen haben.“Berichten zufolge dauert es bis zu 72 Stunden, bis auch die Corona-Tester Ergebnisse bekommen. In der Zwischenzeit würde das Personal teils in komplett unterschiedlichen Schichten zusammenarbeiten.
Nach immer mehr Zwischenfällen, darunter jüngst auch in Hirblingen im Landkreis Augsburg, wird die Kritik an den bayerischen Teststationen lauter. Und mit ihr der Ruf nach einer neuen Strategie – auch aus den Reihen der Regierungskoalition. Fabian Mehring, Parlamentarischer Geschäftsführer der Freien Wähler im Landtag, erklärt im Gespräch mit unserer Redaktion, das Motto „Testen, testen, testen“sei weiterhin richtig. Nun, nach Ende der Urlaubsund Reisezeit, müsse aber ein
Umdenken stattfinden: „Wir müssen nachsteuern, mit clevereren, gezielteren und dezentraleren Ansätzen. Viel deutet darauf hin, dass uns das Coronavirus noch mehrere Jahre begleitet. Jeden Bayern wahllos und kostenlos zu testen, ist virologisch jetzt nicht mehr sinnvoll.“Ressourcen, etwa in den Laboren, seien schon jetzt begrenzt. „Wir müssen uns deshalb genau überlegen, wen, wann und wie wir testen. Testen um des Testens willen ist nicht zielführend.“
Immer wieder würden sich Hilfsorganisationen und Landräte bei ihm melden und von fragwürdigen Zuständen in den Teststationen berichten, sagt Mehring. Er habe sich damit telefonisch und brieflich an Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) gewandt. Einen Streit mit dem Koalitionspartner wolle er nicht anzetteln. „Aber wir müssen schleunigst Instrumentarien bereitstellen, die zuverlässig funktionieren, und zwar langfristig. Mit jedem weiteren Zwischenfall verlieren die Bürger das Vertrauen in unsere Maßnahmen.“Die Infrastruktur für weitreichende Corona-Tests aufzubauen, sei ein Mammutprojekt gewesen. Dass zunächst nicht alles reibungslos abgelaufen sei, sei verständlich. „Aber ein Wattestäbchen in ein Kuvert zu stecken und ins Labor zu schicken, muss nach vier Monaten organisierbar sein.“
Auch von ärztlicher Seite werden Forderungen nach einer Neujustierung
der Testpolitik immer deutlicher formuliert. Gerald Quitterer, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer, spricht sich in einem Kommentar im Bayerischen Ärzteblatt gegen die ungezielte, kostenlose Testung Gesunder aus. Er schlägt vielmehr vor, sich auf die frühzeitige Erfassung von Patienten mit Symptomen oder Risikogruppen zu konzentrieren. Auch bestimmte Gruppen wie pädagogisches, pflegerisches und medizinisches Personal müssten priorisiert werden. „Wir müssen uns darüber im Klaren sein: Diese Testungen sind Momentaufnahmen und sagen nichts über eine schon morgen mögliche Ansteckung eines Menschen aus.“